
Heute gilt es als selbstverständlich, dass die Deutschen in freien Wahlen ihre Repräsentanten bestimmen können, die für sie politische Entscheidungen treffen. Doch das war nicht immer der Fall. Die repräsentative parlamentarische Demokratie musste in einem rund zweihundertjährigen Prozess im Rahmen von Reformen erreicht oder durch politische Umstürze erkämpft werden. Im Rahmen der Herausbildung des modernen Parlamentarismus in Deutschland nimmt das Deutsche Kaiserreich mit seinem Nationalparlament, dem Reichstag, eine zentrale Stellung ein. Dieser war – anders als die Frankfurter Nationalversammlung 1848/49 sowie das Erfurter Unionsparlament von 1850 – auf Reichsebene das erste Sprachrohr für „Volkes Stimme“, das von den Regierungen aller Bundesstaaten sowie der Bevölkerung anerkannt wurde.
In der Sonderausstellung „Volkes Stimme! Parlamentarismus und demokratische Kultur im Deutschen Kaiserreich“ wird an die parlamentarischen Traditionen in Deutschland erinnert. Im Mittelpunkt der Präsentation steht der Parlamentarismus im Kaiserreich. Dieses war zwar keine Demokratie, aber auch kein autokratischer Fürstenbund oder eine Diktatur – als ein Verfassungs-, Rechts- und Interventionsstaat war es ebenso durch überkommene obrigkeitsstaatliche Strukturen wie durch demokratische Elemente gekennzeichnet. Sichtbar wird die Gleichzeitigkeit von politisch-sozialer Modernität und Rückständigkeit.
Die Sonderausstellung ist in einigen Räumen des Bismarck-Museums in Friedrichsruh zu sehen.