Die Gesellschaft im Deutschen Kaiserreich und seinem größten Bundesstaat Preußen war um die Jahrhundertwende im europäischen Vergleich nicht auffällig ungleich. Diesen Befund stützt Prof. Dr. Marc Buggeln (Europa-Universität Flensburg) in seinem Vortrag auf die Auswertung von Steuerdaten und zeigt damit auf, welchen Einfluss die Steuergesetzgebung auf die Verringerung oder Vergrößerung der sozialen Ungleichheit nehmen kann.

Großherzogliches Schloss zu Karlsruhe. Blick vom Schlossplatz auf den Ehrenhof und die Südfassade; Fotografie, Deutschland, um 1890, Abzug auf Papier, Pappe, Bismarck-Museum, Friedrichsruh, Inventar-Nr.: A 389.
Im Pfälzischen Erbfolgekrieg wurde 1689 Schloss Karlsburg, die Residenz der Markgrafen von Baden-Durlach, in Durlach zerstört. Da sich der Wiederaufbau verzögerte, beschloss Markgraf Karl III. Wilhelm 1715, in einiger Entfernung von Durlach einen dreiflügeligen Schlossneubau im Barockstil zu errichten, um den sich eine Stadt entwickelte („Carols Ruhe“). Das Zentrum der gesamten Anlage von Schloss, Schlosspark und Stadt dominiert bis heute ein achteckiger Turm, dem das Schlossgebäude vorgesetzt wurde. Mitte des 18. Jahrhunderts bereits baufällig, wurden das einst in Teilen aus Holz errichtete Schloss und der Lustgarten von Markgraf Karl Friedrich in einer über zwanzig Jahre dauernden Phase umgestaltet.

Am Anfang und Ende des Kaiserreichs stand der Krieg. – Batterie No. 8 „Kronprinz“, Fotografie, Frankreich, 1870 (Leihgabe Stiftung Schloss Glücksburg für die Sonderausstellung „1870/71. Reichsgründung in Versailles“, 2021/2022)
Nur wenige Publikationen sind mit ihrem Erscheinen als ein Standardwerk zu erkennen, ohne das jede weitere Lektüre wissenschaftlicher Literatur zum Themenfeld unvollständig bliebe. „Weltmacht auf Abruf. Nation, Staat und Verfassung des Deutschen Kaiserreichs (1867 – 1918)“ ist eines dieser seltenen Werke. Herausgeber ist der Politik- und Rechtswissenschaftler Rüdiger Voigt, bis 2007 Professor für Verwaltungswissenschaft an der Universität der Bundeswehr München und Direktor des Instituts für Staatswissenschaften sowie Herausgeber der Reihen „Staatsverständnisse“ und „Staatsdiskurse“.

Gruppenbild mit dem „Alten aus dem Sachsenwald“: CDU-Landtagsabgeordnete Andrea Tschacher, der Aumühler Bürgermeister Knuth Suhk und Uta Röpcke, Landtagsabgeordnete von Bündnis90/Die Grünen (v.l.)
Die gute Nachricht überbrachte Norbert Brackmann, Vorstandsvorsitzender unserer Stiftung, am vergangenen Freitag den knapp 90 Gästen gleich zu Beginn des Neujahrsempfangs im Historischen Bahnhof Friedrichsruh: Wir haben eine Machbarkeitsstudie für die Sanierung unserer drei Gebäude in Auftrag gegeben. Bis Juni soll geklärt werden, in welchem Umfang das Bismarck-Museum, der Historische Bahnhof und das Archivgebäude saniert werden müssen und welche Kosten dafür einzuplanen sind. Bezahlt wird diese Machbarkeitsstudie mit Fördergeldern des Bundes, der uns außerdem eine leichte Erhöhung unseres jährlichen Etats zugesagt hat. Auf der Grundlage der Machbarkeitsstudie werden dann die weiteren Mittel für die Sanierung beantragt.

Ab 1885 wurden etwa 32.000 Polinnen und Polen, die die russische oder österreichische Staatsangehörigkeit besaßen, aus dem Königreich Preußen ausgewiesen. Etwa 10.000 von ihnen waren Jüdinnen und Juden. Rugi pruskie, Gemälde von Wojciech Kossak (Sammlung des © Bezirksmuseums Toruń)
Vertreibungen, erzwungene Umsiedlungen, gar Deportationen haben seit der Antike unsägliches Leid über Millionen von Menschen gebracht. Und dennoch scheinen gewisse Staaten bis auf den heutigen Tag nicht bereit, sie aus dem Arsenal ihrer politischen Mittel zu verbannen – siehe Aserbeidschan, China oder Myanmar. Durch investigativen Journalismus wurde jüngst bekannt, dass auch in Deutschland der menschenverachtende Gedanke der Vertreibung missliebiger Bevölkerungsgruppen wieder virulent ist. Wie der Presseberichterstattung entnommen werden kann, scheint die Idee auch in einem der zahlreichen Zweige der Familie von Bismarck noch zu verfangen. Abgesehen davon, dass das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes Vertreibung seit 1945 als Verbrechen gegen die Menschlichkeit definiert, böte ihm und allen anderen so Denkenden das Beispiel des Kaiserreichs genügend Anschauungsmaterial für die politisch wie gesellschaftlich katastrophalen Folgen ihrer Gesinnung.

Königliches Schloss zu Dresden. Blick vom Königlichen Zwinger über Sophienstraße und Taschenberg auf den Westflügel (Moritzbau); Fotografie, Deutschland, um 1890, Abzug auf Papier, Pappe, Bismarck-Museum, Friedrichsruh, Inventar-Nr.: A 389.
Die vierflügelige Schlossanlage in der Dresdner Altstadt geht auf eine spätmittelalterliche Burg aus dem 13. Jahrhundert zurück. Sie diente seit dem 15. Jahrhundert den Markgrafen von Meißen und späteren Herzögen, Kurfürsten und Königen von Sachsen aus dem Haus Wettin als Residenz. Obwohl bis heute als Renaissance-Anlage erhalten, vereint das Schloss dennoch eine Reihe verschiedener Baustile. 1701 wurden Teile der Anlage durch einen Brand zerstört, erst 1717/19 wiederaufgebaut und im Innern teilweise im Stil des Barocks ausgestaltet. Das berühmte, neun Räume umfassende Grüne Gewölbe wurde zwischen 1723 und 1729/30 für die öffentliche Präsentation der wettinischen Kunst- und Raritätensammlung erbaut. Anlässlich der 800-Jahr-Feiern des Herrscherhauses Wettin fanden zwischen 1889 und 1901 umfangreiche Erweiterungs- und Umbauten der Schlossanlage statt, wozu auch die einheitliche äußere Fassadengestaltung im Stil der Neorenaissance gehörte.
Markierte die Reichsgründung den Anfang vom Ende der Geschichte Preußens? Oder hat Preußen das Deutsche Kaiserreich dominiert? Lennart Bohnenkamp (TU Braunschweig) schlägt mit seiner Forschung einen Mittelweg ein und zeigt an konkreten Beispielen, wie in der „doppelten Hauptstadt“ Berlin zwischen 1867 und 1918 regiert wurde. Als charakteristisch arbeitet er die „verdoppelten politischen Persönlichkeiten“ heraus: Der preußische König war zugleich Deutscher Kaiser, der Ministerpräsident fast ununterbrochen auch Reichskanzler, zahlreiche Parlamentarier saßen im Preußischen Landtag und im Reichstag. Bereits in der Bismarck-Ära klagten Amts- und Mandatsträger zwar über die Doppelbelastung, die Verknüpfung der Entscheidungen auf Reichs- und Landesebene funktionierte aber politisch. Dies sollte sich ändern, nachdem die Ergebnisse der Reichstags- und der Abgeordnetenhauswahlen – bedingt durch die unterschiedlichen Wahlsysteme – immer stärker auseinanderdrifteten. „Der Zwang, mit zwei Parlamenten verschiedener Zusammensetzung und entgegengesetzter Gesinnung zu arbeiten, mußte jede Regierung in lähmende Halbheiten verstricken“, urteilte der damalige Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg in der Rückschau.
Der Vortrag fand am 7. Dezember 2023 im Historischen Bahnhof Friedrichsruh statt. Titelbild unter Verwendung einer Fotografie, die Flaneure vor dem Berliner Reichstagsgebäude und der Statue des ersten Reichskanzlers Otto von Bismarck zeigt, um 1900.
Mit den Vortragsveranstaltungen im ersten Halbjahr 2024 werden Themen aufgegriffen, die Vergangenheit und Gegenwart wiederholt mit der Verantwortung verbinden, die die Gesellschaft für politische Entwicklungen trägt.

Washington überquert den Delaware (Washington Crossing the Delaware), Gemälde von Emanuel Leutze, 1851 (The Metropolitan Museum of Art, New York). Hinter George Washington stehen James Monroe und Nathanael Greene.
In engster Absprache mit Frankreich bereitete Reichskanzler Otto von Bismarck im Frühjahr 1884 eine internationale Konferenz zur Regelung akuter Konflikte in Zentralafrika vor. Angestoßen worden war seine Initiative zur „Westafrika-Konferenz“ durch einen Vertrag, den Portugal und Großbritannien Ende Februar über die Besitzverhältnisse an der Kongo-Mündung geschlossen hatten. Denn damit drohte die Errichtung eines Sperrriegels zum Inneren des Kontinents mit höchst nachteiligen Folgen für den internationalen Handel, die weder das Deutsche Reich noch die Dritte Republik hinnehmen mochten.

„Rudolph Virchow. Nach einer für die Gartenlaube gefertigten Photographie“, in: Die Gartenlaube 1862, Heft 47, Seite 749
Als Pathologe und Anatom, Anthropologe und Prähistoriker war er unter seinen Zeitgenossen eine Ausnahmeerscheinung. Wissenschaftsgeschichtlich gilt der Ruf Rudolf Virchows noch heute als exzellent: Er entdeckte mit Anfang Dreißig die Zelle als kleinste Einheit des Organismus und beriet als führender Hygieniker seiner Zeit deutsche und ausländische Behörden – Cholera und Tuberkulose, ja sogar Lepra gehörten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch zu den wiederholt auftretenden Epidemien in Europa. Zugleich war er bestrebt, seine medizinischen Forschungsergebnisse für die Schaffung einer sozialen Medizin einzusetzen. Virchow stand, etwas zugespitzt, am Anfang unserer heutigen modernen klinischen Forschungs- und Versorgungsmedizin.
Die Persönlichkeit Virchows war zudem von einer weiteren Facette geprägt: Als linksliberaler Politiker stritt er über Jahrzehnte für die parlamentarisch-demokratische Ausgestaltung Deutschlands und rieb sich dabei an seinem Antipoden Bismarck. Diese politische Betätigung soll hier im Mittelpunkt stehen, verbunden mit der dritten Sphäre des Privatmanns, Bürgers und sechsfachen Familienvaters.