130 gut gelaunte Gäste sind am vergangenen Freitag der gemeinsamen Einladung der Otto-von-Bismarck-Stiftung und ihres Fördervereins zum Neujahrsempfang gefolgt. Bevor sich alle zu anregenden Gesprächen in den Räumen unserer Dauerausstellung bei Häppchen und Getränken trafen, bot das Festprogramm in unserem Veranstaltungsraum im ersten Stock gute Nachrichten, Nachdenkliches und Musik, die für einen Augenblick besonders zu Herzen ging.

Weihbischof em. Dr. Hans-Jochen Jaschke, Norbert Brackmann und Dr. Rüdiger Kass (v.l.)

In seiner Begrüßung ließ Dr. Rüdiger Kass, Vorsitzender des Vorstands der Otto-von-Bismarck-Stiftung, das insgesamt für die Stiftung erfolgreiche Jahr Revue passieren. So erinnerte er an die wissenschaftliche Konferenz „1918 – Das Ende des Bismarck-Reiches?“, die im April 2019 in Kooperation mit der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München veranstaltet wurde. Insbesondere die Abschlussdiskussion mit dem Bismarck-Kenner Peter Altmaier, Bundesminister für Wirtschaft und Energie, sei sehr anregend gewesen. Dr. Kass hob außerdem die jüngsten wissenschaftlichen Publikationen hervor, die 2019 unter dem Dach der Stiftung entstanden sind – die Monografie „Bismarck und Frankreich“ sowie den Sammelband „Staatsverständnisse“.

Weiterlesen

„Zwischen mir und mein Volk soll sich kein Blatt Papier drängen!“ – König Friedrich Wilhelm IV. und sein Bruder, der Prinz von Preußen und der spätere Wilhelm I., sind in dieser Karikatur von Isidor Popper bei dem Versuch zu sehen, die Einführung der Verfassung zu verhindern (erschienen in: Satyrische Zeitbilder 28, 1848, heute im Besitz der Herzog August Bibliothek, CC BY-NC-ND 4.0).

„Lügenpresse“ – dieser Kampfbegriff sucht seit einigen Jahren die politische und gesellschaftliche Landschaft heim. Die polemisierende Medienschelte ertönt fast täglich aus den Mündern ideologischer Kombattanten und ist Ausdruck einer ausgeprägten Schwarz-Weiß-Sichtweise, die klar in Freund und Feind unterscheidet – und der Feind wird eindeutig in Fernseh- und Presseredaktionen verortet. Das ist weder ein rein deutsches Phänomen noch eines der jüngeren Zeitgeschichte: Dass „fake news“ nichts weiter als die orange angestrichene Variante der „Lügenpresse“-Rufe in deutschen Großstädten und Online-Kommentare sind, kann man regelmäßig auf Twitter nachlesen. Auch die Wahl zum „Unwort des Jahres 2014“ stellte weniger den Beginn einer zweifelhaften Erfolgskarriere jener Wortzusammensetzung dar als vielmehr ein unerwünschtes Comeback-Special. Denn bereits im Ersten Weltkrieg und erst recht während der NS-Diktatur fanden deutsche Entscheidungsträger und Meinungsmacher großen Gefallen an jenem Ausdruck, mithilfe dessen man politischen Gegnern mit einem Federstrich die Glaubwürdigkeit zu entziehen versuchte.1

Doch die Verwendung des Begriffs „Lügenpresse“ ist noch älter. „Lügenpresse“ ist keine Wortschöpfung des 20. Jahrhunderts, ebenso wenig wie die politische Diffamierung unerwünschter und kritischer Berichterstattung. Bereits der preußische König Wilhelm I. (1797-1888), der 1871 zum ersten Deutschen Kaiser ausgerufen wurde, schimpfte Zeit seiner Herrschaft auf die „fake news“ des Industrialisierungszeitalters. Im Folgenden wird in Form einer Sammlung von ausgewählten Zitaten Wilhelms I. – die nicht den Anspruch erhebt, eine wissenschaftliche Gesamtbetrachtung der facettenreichen Zeitungs- und Pressepolitikgeschichte des 19. Jahrhunderts zu sein2 – eine Skizze der problematischen Beziehung des preußischen Königs zum gedruckten Wort gezeichnet. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Jahren bis 1871.

Weiterlesen

Das Gemälde hängt bis zum 15. März im Schloss von Versailles (Foto: © EPV / Thomas Garnier)

Verpackt in einer großen Holzkiste wurde sie durch ein ausgebautes Fenster des Bismarck-Museums geschoben und auf einen klimaregulierten LKW-Anhänger verladen – der Transport war ein kleines Abenteuer, nun aber hängt „Die Proklamierung des deutschen Kaiserreiches (18. Januar 1871)“ vor dunkelrotem Hintergrund im Schloss von Versailles. Das Gemälde Anton von Werners ist für die Ausstellung „Versailles Revival 1867-1937“ für einige Wochen dorthin gereist, wo sich die deutsche und französische Geschichte schicksalhaft berührten.

Bis zum 15. März 2020 ist die große Ausstellung zu sehen, die an die Wiederbelebung des Schlosses von Ludwig XIV. erinnert: Nach der Französischen Revolution war es im kollektiven Bewusstsein verblasst und wurde erst einhundert Jahre später „wiederentdeckt“. Einen wesentlichen Anteil daran hatte zunächst die Ehefrau Napoleons III., Kaiserin Eugénie – sie schwärmte für Königin Marie Antoinette und deren Lebensstil. Ihre Leidenschaft wurde bald geteilt und Versailles zum Vorbild für andere Königspaläste. So ließ Ludwig II. von Bayern, ein großer Bewunderer des Sonnenkönigs, nach diesem Vorbild das Schloss Herrenchiemsee errichten.

Weiterlesen

Richard Neuhauss (1855–1915): Otto Lilienthal am Fliegeberg in Lichterfelde (Berlin), 1895, Silbergelatineabzug (Otto-Lilienthal-Museum, Anklam).

Die Eisenbahn war seit den 1830er-Jahren als Selbstverständlichkeit ins Leben Otto von Bismarcks getreten: Ihr Ausbau hatte einen wesentlichen Anteil an den preußischen Siegen in den sogenannten Einigungskriegen. Die seit 1846 bestehende Verbindung zwischen Hamburg und Berlin sorgte für eine hochmoderne Anbindung des Alterswohnsitzes Bismarcks in Friedrichsruh, von wo er in die Reichshauptstadt pendelte und wohin Besucher zu ihm dampften. So weit, so erwartbar, war Bismarck (1815-1898) doch ein Kind des sprichwörtlichen Eisenbahnzeitalters, das sich im Laufe seines Lebens auch noch an die Telegraphie und das elektrische Licht gewöhnte.

Die Professionalisierung einer nicht weniger bahnbrechenden Erfindung fällt in seine letzten Lebensjahre, aber nach allem, was wir wissen, nahm er sie nicht oder kaum zur Kenntnis – gemeint ist das Fliegen. Dieses substantivierte Verb fehlt in den gängigen Bismarck-Zitatensammlungen ähnlich wie die Begriffe Vogel, Montgolfière, Luftfahrt, Ballonfahrt und, man ahnt es, auch der Name Otto Lilienthal.
Dabei gelangen dem Flugpionier seine spektakulären Gleitflüge noch zu Bismarcks Lebzeiten, ja er verlor sein Leben 1896 sogar zwei Jahre vor seinem 33 Jahre älteren Namensvetter. Ob Bismarck davon Notiz nahm, ist nicht überliefert. Durch Zeitungsartikel oder in Gesprächen mag er davon erfahren haben, belegen lässt sich eine Auseinandersetzung mit dem Thema nicht.

Weiterlesen

„The Signing of Peace in the Hall of Mirrors, Versailles, 28 June 1919“, Gemälde von William Orpen (Public Domain)

In seinem Vortrag „Frieden durch Recht? Der Aufstieg des modernen Völkerrechts und der Friedensschluss nach dem Ersten Weltkrieg“ analysierte Prof. Dr. Marcus M. Payk die rechtliche Argumentationslinie der Entente-Mächte im Ersten Weltkrieg sowie auf der Pariser Friedenskonferenz gegenüber dem Deutschen Reich und dessen Reaktion nach der Vorlage des Versailler Vertrages.

Marcus M. Payk ist Professor für Neuere Geschichte unter besonderer Berücksichtigung der westeuropäischen Geschichte an der Helmut-Schmidt-Universität / Universität der Bundeswehr Hamburg und hat sich mit dem Vortragsthema habilitiert. Seine Interpretation stieß gestern im Historischen Bahnhof Friedrichsruh auf großes Interesse.

Payk ging von der These aus, dass sich in Europa bis zum Ende des 19. Jahrhunderts die Auffassung durchgesetzt habe, die Beziehungen der Staaten zueinander nicht mehr durch Macht, sondern durch das Recht zu regeln. Gelten sollte diese Auffassung allerdings nur im Verhältnis der „zivilisierten“ Staaten, weiten Teilen von Afrika und Asien sei dieser Status vor dem Hintergrund der Kolonialisierung nicht zugestanden worden.

Das deutsche Kaiserreich habe aus Sicht der Entente-Mächte mit diesem Konsens 1914 gebrochen – nicht durch den Beginn des Krieges an sich, sondern durch den Vorstoß der Armee in den Norden Frankreichs durch das neutrale Belgien. Damit sei der Vertrag von 1839, mit dem Belgien seine Unabhängigkeit, Sicherheit und Neutralität zugesichert erhalten hatte, verletzt worden. Diesen Rechtsbruch hätten die Alliierten nicht als eine notwendige Kriegsstrategie des Deutschen Reiches gewertet, sondern als Barbarei. Daher hätten Frankreich, Großbritannien und dann auch die USA die Führung des Krieges als Verteidigung des Rechts definiert.

Weiterlesen

Stephan Puille demonstrierte, wie der Phonograph aus unserer Dauerausstellung funktioniert.

Vor 130 Jahren kam es zu einer einzigartigen Tonaufnahme: Adelbert Theodor Wangemann nahm am 7. Oktober 1889 in Friedrichsruh mit einer sensationellen neuen Erfindung, dem Phonographen, Bismarcks Stimme auf. Der NDR wird mit dem Beitrag „Die Wiederentdeckung von Bismarcks Stimme“ in der Reihe „Zeitreise“, die immer sonntags im Schleswig-Holstein-Magazin gezeigt wird, am 1. Dezember an dieses historische Ereignis erinnern. Die Dreharbeiten dazu haben im Historischen Bahnhof Friedrichsruh stattgefunden. Prof. Dr. Ulrich Lappenküper, Geschäftsführer der Otto-von-Bismarck-Stiftung, und der Tonhistoriker Stephan Puille, Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, erzählten dem Fernsehteam von der Aufnahme, ihrer Wiederentdeckung und ihrer historischen Bedeutung.

„Allons enfants de la Patrie / Le jour de gloire est arrivé / Contre nous de la tyrannie / L’étendard sanglant est levé“ – Die erste Strophe der Marseillaise ist, trotz des lauten Rauschens der Walze, nicht zu überhören. Die deutschen Zeitungen aber erwähnten damals, im Jahr 1889, mit keiner Silbe, dass Otto von Bismarck für diese Tonaufnahme ausgerechnet die französische Nationalhymne zitierte. Dabei sei sie nicht zufällig ausgewählt worden, ist sich Prof. Dr. Ulrich Lappenküper sicher: „Bismarck drückte damit seine Wertschätzung für die Französische Republik aus.“ Dies passe zu den wiederholten Versuchen des ersten Reichskanzlers, die Wunde, die auf beiden Seiten durch den Krieg 1870/71 entstanden sei, durch Kooperation zu heilen.

Weiterlesen

Dr. Rudolf Seiters erzählte anschaulich und spannend von seiner politischen Tätigkeit im geschichtsmächtigen Jahr 1989.

Mit einem herzlichen Applaus ist gestern Abend Dr. Rudolf Seiters im sehr gut besuchten Theatersaal des Augustinum Aumühle empfangen worden. Der Förderverein der Otto-von-Bismarck-Stiftung e.V. hatte ihn eingeladen, den Jahresvortrag über „30 Jahre Mauerfall“ zu halten. Dr. Seiters sprach als Zeitzeuge und als einer der damaligen politischen Akteure, denn 1989 war er „Chef im Maschinenraum“ der Politik, wie es Norbert Brackmann, Vorsitzender des Fördervereins, treffend formulierte.

Nach einer kurzen historischen Einordnung der deutschen Teilung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs erzählte Dr. Seiters, heute Vorsitzender des Kuratoriums der Otto-von-Bismarck-Stiftung, wie ruhig das Revolutionsjahr 1989 für ihn begonnen hatte: Als er im April Wolfgang Schäuble als Chef des Bundeskanzleramtes nachgefolgt sei, habe dieser ihm wichtige Akten übergeben – keine davon habe die DDR betroffen. Innerhalb weniger Wochen sollte sich die Lage dramatisch ändern. Als die Zahl der Flüchtlinge in der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik in Ost-Berlin und in der Botschaft in Prag rasant gestiegen sei, habe man mit der DDR-Regierung zu verhandeln begonnen – dieser hätten aber die eigenen Bürger nicht mehr vertraut. Deshalb seien Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher und er am 30. September 1989 zusammen nach Prag geflogen, um den 5.000 Botschaftsflüchtlingen dort nicht nur die Zustimmung Ost-Berlins zu ihrer Ausreise mitzuteilen, sondern ihnen auch die Sicherheit zu vermitteln, dass sie keinen Wortbruch zu befürchten hätten – Genscher sprach damals auf dem Balkon den sicher berühmtesten Halbsatz der jüngeren deutschen Geschichte: „Liebe Landsleute, wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise …“. Dies sei auch für ihn ein sehr emotionaler Moment gewesen, sagte Dr. Seiters und berichtete bewegt, dass er im September dieses Jahres wieder die Prager Botschaft besucht und bei einer Feier 400 der ehemaligen Flüchtlinge getroffen habe, die alle immer noch sehr glücklich über ihre Freiheit seien.

Weiterlesen

Das Kalenderblatt für den Januar: „Das Bundeskanzleramt im Felde“, Farblithografie nach einer Zeichnung von Otto Wisnieski.

150 Jahre sind es im kommenden Jahr her, dass der Deutsch-Französische Krieg ausbrach. Mit einem Wandkalender für das Jahr 2020 erinnern wir an dieses für viele tragische Ereignis, das in die Erfüllung eines langen deutschen Traums – die Gründung des Deutschen Reichs – mündete. Jedes Kalenderblatt zeigt einen Druck, eine Lithografie oder ein Faksimile aus dem Bestand der Otto-von-Bismarck-Stiftung.

Gespiegelt wird damit eine historische Entwicklung, die für uns heute nach Jahrzehnten der deutsch-französischen Freundschaft und dem Miteinander unter dem Dach der Europäischen Union in weite Ferne gerückt ist: Mit dem Krieg 1870/71 entluden sich lange schwelende Spannungen zwischen dem aufstrebenden Preußen und einem Frankreich, das in der deutschen Nationalbewegung eine Bedrohung der eigenen Machtstellung in Europa sah. Der damals aktuelle Anlass ist heute kaum noch nachzuvollziehen: die Kandidatur des Erbprinzen Leopold (1835-1905) aus der süddeutschen Hohenzollern-Linie von Sigmaringen für den spanischen Thron, der nach einem Militärputsch 1868 vakant geworden war. Weiterlesen

Fürst Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst in seiner Straßburger Zeit

Fürst Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst in seiner Straßburger Zeit

Kein anderer deutscher Politiker des 19. und 20. Jahrhunderts war so lange in politischen Ämtern aktiv wie er: Über 50 Jahre diente Fürst Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst zunächst als bayerischer Abgeordneter und Ministerpräsident, seit 1871 als Reichstagsabgeordneter, Botschafter in Paris, Staatssekretär des Auswärtigen, Statthalter in Elsass-Lotheringen und schließlich ab 1894 – im Alter von 75 Jahren – als Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident. In seinem gestrigen Vortrag im Historischen Bahnhof Friedrichsruh konzentrierte sich Dr. Volker Stalmann, Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien in Berlin, auf diese letzte Station und skizzierte ein ambivalentes Bild dieses erfahrenen Politikers.

Weiterlesen

Der Ehrenbürgerbrief der Stadt Bad Kissingen

Insgesamt 71 Wochen seines Lebens kurte Otto von Bismarck in Bad Kissingen und hoffte dabei auf Linderung seiner gesundheitlichen Beschwerden ebenso wie auf ein gewisses „geistiges Stumpfwerden“ zwecks allgemeiner Entspannung. Dabei war er ein so gerngesehener Gast, dass er einmal nach seiner Ankunft klagte, die jubelnde Bevölkerung habe ihn zu „armermüdender Grüßarbeit“ genötigt.

Ganz ohne Arbeit kamen diese Kuraufenthalte ohnehin nicht aus. Solange Bismarck seine Regierungsämter innehatte, erledigte er seine Aufgaben überall dort, wo er sich gerade aufhielt. Der Stadt Bad Kissingen wurde dabei die besondere Ehre zuteil, Namensgeberin eines seiner wichtigsten Dokumente zu werden: Im „Kissinger Diktat“ hielt er 1877 Leitlinien seiner künftigen Außenpolitik fest.

Weiterlesen