Der Ankauf von Pferden wurde in dem Artikel „Ist der Krieg in Sicht?“ als Indiz für die kriegerischen Absichten Frankreichs interpretiert. Abbildung: „Un Cavalier“, Gemälde von Alphonse de Neuville (1836–1885) aus dem Jahr 1884 (Sammlung des Metropolitan Museum of Art).

„Seit einigen Wochen hat sich der politische Horizont mit dunklem Gewölk bezogen. Zuerst kamen die starken Pferdeankäufe für französische Rechnung, welchen die deutsche Regierung ein Ausfuhrverbot entgegenzusetzen wußte. Dann wurde man aufmerksam auf die starke Vermehrung der Cadres des französischen Heeres, welche die Nationalversammlung zu Versailles, wie absichtlich versteckt zwischen die Verhandlungen zur Begründung der neuen Verfassung, beschloß.“

Am 9. April 1875 erschien in der regierungsnahen Berliner Zeitung Die Post anonym ein Artikel, der mit Vermutungen und Unterstellungen gespickt war. Betitelt war er mit einer Frage, die in der in- und ausländischen Öffentlichkeit eher als Drohung verstanden wurde: „Ist der Krieg in Sicht?“. Der Text sollte als Auslöser der schwersten außenpolitischen Niederlage Otto von Bismarcks in die Geschichte eingehen. Kurz nach der Veröffentlichung wurde Constantin Rößler als Verfasser bekannt. Für die Öffentlichkeit dürfte dies keine große Überraschung gewesen sein, hatte er sich doch längst einen Namen als engagierter Verfechter der Politik des Reichskanzlers gemacht.

Rößler wurde vor 200 Jahren, am 14. November 1820, in Merseburg als Sohn des Diakons an der Stadtkirche St. Maximi geboren. Nach dem Studium der Fächer Theologie, Philosophie und Staatswissenschaften schrieb er seine Doktorarbeit über den Philosophen Friedrich Heinrich Jacobi. Im Revolutionsjahr 1848 habilitierte er sich in Jena und begann, als außerordentlicher Professor zu lehren. In den folgenden Jahren aber wurde die deutsche Einheit zu seinem Lebensthema und so verzichtete er 1860 auf eine akademische Laufbahn, um als freiberuflicher Publizist für das von Bismarck geführte preußische Ministerium für auswärtige Angelegenheiten und später für das neugegründete Auswärtige Amt zu arbeiten. Initiiert wurden seine Veröffentlichungen in einer Abteilung, die sich – ähnlich wie das Literarische Büro des Innenministeriums – um eine Beeinflussung der (nun auch ausländischen) Presse kümmerte. Erzielt wurde dies nicht nur über den Aufbau enger Kontakte zu Verlegern, sondern auch durch Subventionen von Zeitungen und die direkte Bezahlung einzelner Publizisten.

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Unser Kalender zeigt im November den Druck „Die Friedensunterzeichnung in Frankfurt a. M.“ nach einem Gemälde von Otto Donner von Richter (1886), Archiv der Otto-von-Bismarck-Stiftung, Inventar-Nr.: L 1999/092.

Zentrale Bestimmungen des Vorfriedens von Versailles waren die Regelung der Kriegsentschädigung und die Abtretung der Provinz Elsass und eines Teils von Lothringen mit der Festung Metz. Es gelang den Unterhändlern der französischen Regierung bei den Friedensverhandlungen in Brüssel, die Kriegsentschädigung von sechs auf fünf Milliarden Francs zu senken, die Rückgabe der Festung Belfort zu erreichen und die Verhandlungen weiter in die Länge zu ziehen.

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Prof. Dr. Werner Plumpe stieß mit seinen Thesen auf lebhaftes Interesse.

Armut, soziale Ungleichheit, (vermeintlich) überflüssiger Konsum, Umweltzerstörung – dem Kapitalismus werden seit seinen Anfängen negative Folgen zugeschrieben. So gesehen ist es erstaunlich, dass es ihn immer noch gibt: Mit dieser Problematisierung eröffnete der Wirtschaftshistoriker Prof. Dr. Werner Plumpe (Goethe-Universität Frankfurt/Main) seinen Vortrag „Der Kapitalismus im langen 19. Jahrhundert“ im Historischen Bahnhof Friedrichsruh.

Den negativ konnotierten Stichworten stellte Plumpe zunächst gegenüber, was nie erwähnt werde: die bezahlbare Milch im Supermarkt. Der preislich erschwingliche Zugang zu Konsumgütern sei aber der Grund für den Erfolg des Kapitalismus. Von Anfang hätten vor allem auch die ärmeren und unterprivilegierten Menschen davon profitiert, dass ihre Bedürfnisse „entdeckt“ worden seien. Nicht zufällig seien Brauereien zu den ersten kapitalistischen Fabriken geworden.

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In der Ausstellung zu sehen: „Der Radicale – Der Liberale – Der Conservative“. Die Zeitungs-Politiker, Leipzig, 1849, Lithografie (Reproduktion) © Deutsches Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig

Die Wechselwirkungen zwischen der politischen Öffentlichkeit und den modernen Medien beleuchtet zurzeit die Ausstellung „Von Luther zu Twitter“. Zu sehen ist sie bis zum 11. April 2021 im Deutschen Historischen Museum in Berlin. Allen Interessierten, die angesichts der aktuellen Infektionszahlen mit dem Coronavirus von einer Fahrt in die Hauptstadt absehen, sei der informative Begleitband empfohlen, in dem auch wichtige Entwicklungen im 19. Jahrhundert aufgezeigt werden. In einem der Beiträge analysiert Prof. Dr. Ulrich Lappenküper, Geschäftsführer unserer Stiftung, wie Otto von Bismarck die Medien seiner Zeit nutzte und zu instrumentalisieren versuchte.

Für Bismarck „waren Zeitungen zunächst vor allem ein unverzichtbares Mittel der Informationsbeschaffung“, schreibt Lappenküper. „Schon als Schüler hatte er seiner Mutter aus französischen Blättern vorgelesen, um sie über den Verlauf der Juli-Revolution von 1830 zu informieren.“ Zum Politiker geworden, gewann für ihn ein zweites Medium an Bedeutung, das im 19. Jahrhundert die Nachrichtenübermittlung und damit auch die Berichterstattung in der Presse revolutionierte: die Telegraphie. Beide Medien wusste er über die Jahrzehnte nicht nur zur Information, sondern auch politisch zu nutzen. Die Absicht, die Öffentlichkeit und damit auch die politischen Entscheidungsträger zu beeinflussen, werden in dem Beitrag beispielhaft unter anderem an lancierten Meinungsartikeln, Versuchen der Pressezensur sowie der Emser Depesche veranschaulicht. Deutlich wird, dass die Presse für den preußischen Ministerpräsidenten und ersten Reichskanzler Mitstreiter und Gegner zugleich war.

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Kolorierte Lithografie, Deutschland, um 1871 – Material: Papier – Herkunft: Otto-von-Bismarck-Stiftung Friedrichsruh, Inventar-Nr.: L 1999/127

Nach dem Sieg der deutschen Truppen in der größten Schlacht dieses Krieges bei Gravelotte am 18. August 1870 zogen sich starke französische Verbände in die Festung Metz zurück. Zwei französische Armeen scheiterten nahe der Grenze zu Belgien mit dem Versuch, die Eingeschlossenen zu entsetzen. Der 3. und der 4. deutschen Armee gelang es in der Folge, rund 130.000 auf Metz vorrückende französische Soldaten bei Sedan einzukesseln. Was die Deutschen noch nicht wussten: Unter den Eingeschlossenen befand sich auch Kaiser Napoleon III. Die Schlacht von Sedan am 1./2. September 1870 endete schließlich mit einer vollständigen Niederlage der Franzosen.

Der hier gezeigte kolorierte Druck entstammt einer Bildermappe der Verlage Gustav Weise (Stuttgart) und Paul Bette (Berlin) mit dem Titel „Der Krieg in Bildern“. Er zeigt eine Szene aus der letzten Phase der Schlacht um die Festung Sedan am 1. September 1870, und zwar den Ritt des französischen Parlamentärs General Graf André Charles Victor Reille (1815 – 1887) auf dem Weg zu König Wilhelm I. von Preußen, um ihm einen Brief Napoleons III. zu übergeben. Reille war seit 1860 Generaladjutant des Kaisers und ist in französischer Offiziersuniform mit dem dazu gehörigen goldumrandeten Käppi dargestellt. Er trägt in seiner Rechten eine Lanze, an deren Ende eine weiße Fahne, das Zeichen des Parlamentärs, gebunden ist. Neben dem Rappen des französischen Generals reitet ein Kavallerist auf einem Schimmel, der sich durch Uniform und Tschapka, die typische Kopfbedeckung der Ulanen, als preußischer Lanzenreiter identifizieren lässt. Er scheint den gegnerischen General in das preußische Lager zu geleiten.

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Ein Blick in den Ausstellungsraum (Foto: Johanna Groß / Arolsen Archives)

Eine der ersten Stationen der neuen Wanderausstellung #StolenMemory ist der Park des Historischen Bahnhofs Friedrichsruh. Auf Einladung der Otto-von-Bismarck-Stiftung werden vom 10. bis zum 22. Oktober 2020 in einem ausklappbaren Überseecontainer auf Plakaten die Leidensgeschichten NS-Verfolgter erzählt und ihre persönlichen Gegenstände gezeigt. Die Uhren, Eheringe, Dokumente, Briefe und Fotos – sogenannte Effekten – sind, soweit es möglich war, an die Familien ihrer einstigen Besitzerinnen und Besitzer zurückgegeben worden.

Konzipiert wurde diese Ausstellung von den Arolsen Archives. Dieses internationale Zentrum über NS-Verfolgung hat das weltweit umfassendste Archiv zu den Opfern und Überlebenden des Nationalsozialismus aufgebaut. Die Sammlung mit Hinweisen zu rund 17,5 Millionen Menschen gehört zum UNESCO-Weltdokumentenerbe. Im Jahr 2016 starteten die Arolsen Archives die Kampagne #StolenMemory, um möglichst viele der knapp 2.700 aufbewahrten persönlichen Besitzstücke ehemaliger KZ-Häftlinge an deren Familien zurückzugeben. Dies konnte bisher in einigen hundert Fällen verwirklicht werden.

Die meisten dieser persönlichen Gegenstände stammen aus dem damaligen KZ Neuengamme. Dort wie in den anderen Konzentrationslagern war den Menschen bei ihrer Inhaftierung ihr Besitz abgenommen und teilweise in personalisierten Umschlägen archiviert worden. Viele dieser Umschläge wurden nach Kriegsende von der britischen Besatzungsmacht sichergestellt und gelangten schließlich in die Arolsen Archives. Einige dieser Effekten sind dann als Dauerleihgabe nach Neuengamme zurückgekehrt. Über deren verschlungene Wege und ihren Wert für die Erinnerung an die Shoah wird bei der Eröffnung der Wanderausstellung Christian Römmer, Archivar der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, am Sonnabend, 10. Oktober 2020, um 11 Uhr sprechen.

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Unser Kalender zeigt im Oktober die Lithografie „Der Sieges-Einzug in Paris am 1. März 1871“ von F. Kaiser (um 1870/1880), Archiv der Otto-von-Bismarck-Stiftung, Inventar-Nr.: O 2015/016.

Angesichts der gescheiterten Ausbruchsversuche französischer Truppen aus dem belagerten Paris sowie der sich verschärfenden Nahrungsmittelkrise der Bevölkerung ersuchte die provisorische Regierung der Französischen Republik die Deutschen am 23. Januar 1871 um einen Waffenstillstand. Dieser wurde nach kurzen Verhandlungen am 28. Januar unterzeichnet und trat für Paris einen Tag später und für die Provinzen wenige Tage darauf in Kraft.

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Mit einem Videoprojekt feiert die Otto-von-Bismarck-Stiftung in diesem Jahr zusammen mit den anderen fünf Politikergedenkstiftungen des Bundes den Tag der Deutschen Einheit. Entwickelt wurde diese Idee, nachdem sich vor einigen Wochen vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie abzeichnete, dass sich das diesjährige Motto „Wir miteinander“ nicht bei persönlichen Begegnungen in Potsdam erleben lässt. Die Gespräche über die historischen Ereignisse vor 30 Jahren und die aktuellen Herausforderungen, unsere Demokratie lebendig zu erhalten und weiter zu gestalten, sollten dennoch stattfinden.

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Die Übungsbögen werden im Archiv der Otto-von-Bismarck-Stiftung aufbewahrt (Inventar-Nr. A 32e, Bl. 291).

Eines der 36 großformatigen Übungsblätter aus dem Archiv der Otto-von-Bismarck-Stiftung wurde in Kopie verteilt: Prof. Dr. Werner Lehfeldt gestaltete seinen Vortrag im Historischen Bahnhof Friedrichsruh über „Bismarck und die russische Sprache“ höchst anschaulich. Das Publikum konnte so mit eigenen Augen die Fehlerkorrekturen nachverfolgen, die Otto von Bismarck während seines Russisch-Unterrichts vorgenommen hatte. Lehfeldt, der bis zu seiner Emeritierung am Seminar für Slavische Philologie der Georg-August-Universität Göttingen lehrte, nutzte seinen Vortrag damit zugleich für eine kleine Einführung in die Schwierigkeiten des Russischen.

Bismarck war etwas widerwillig im März 1859 nach St. Petersburg gereist. Statt neuer preußischer Gesandter am Hof des Zaren zu werden, hätte er sich lieber auf einer verantwortungsvollen Position im Herzen Europas und nicht an dessen geografischen Rand gesehen. Dennoch nahm er seine neue Aufgabe sehr ernst und begann noch vor der Abreise, sich autodidaktisch der russischen Sprache zu nähern und die kyrillische Schrift zu lernen. In der russischen Metropole angekommen, nahm er bald zweimal wöchentlich bei dem Jura-Studenten Wassili Alexejew Sprachunterricht. Sein Motiv war eindeutig: Er habe sich entschlossen, „allmählich die Dolmetscher, die Alles hören und sehen, was man thut, loszuwerden“.

Prof. Dr. Werner Lehfeldt wertete für seine Publikation Bismarcks Übungsblätter aus.

Alexejew lobte die Auffassungsgabe seines Schülers später in höchsten Tönen und berichtete, er habe gemeinsam mit ihm einen Roman von Turgenjew gelesen sowie die Zeitschrift Kolokol („Die Glocke“). Sie wurde im europäischen Ausland unter anderem von Alexander Herzen herausgegeben, so die Erläuterungen Lehfeldts, und war eigentlich in Russland verboten. Aber die Botschaften erhielten sie zensurfrei und für Alexejew dürfte damit der Sprachunterricht die einmalige Gelegenheit gewesen sein, eine kritische Exilzeitung zu lesen.

Ob der sprachbegabte Bismarck, der Englisch und Französisch fließend beherrschte, allerdings im Russischen so große Fortschritte erzielte wie von seinem Lehrer berichtet, zweifelte Lehfeldt an. Die Übungsblätter ließen keine Rückschlüsse auf eine systematische Unterrichtung in Grammatik und kein umfangreiches Lernen von Vokabeln erkennen. Bismarck selbst erzählte später, er habe sich mit Kutschern und Dienstboten gut verständigen können, aber für ein gehobenes Gespräch in den feinen Salons der Stadt hätten seine Kenntnisse nie ausgereicht.

 

Veröffentlichungen zum Thema

Werner Lehfeldt
Bismarck und die russische Sprache
Berlin 2019

W. Alexejew
Erinnerungen des ehemaligen russischen Sprachlehrers des Fürsten Otto von Bismarck
St. Petersburg, Leipzig 1895

Titelbild: Luftaufnahme von Friedrichsruh aus dem Jahr 1913.

Mit historischen Fotografien und Darstellungen blicken wir mit unserem Wandkalender für das Jahr 2021 zurück auf ein Friedrichsruh, das schon lange vor der Ankunft Otto von Bismarcks zum Wirtschaftsstandort und Ausflugsziel geworden war. Die Bilder sind zwischen 1850 und der Wende zum 20. Jahrhundert entstanden und bei uns archiviert.

Eine Lithografie aus dem Jahr 1850 mit einer Ansicht des Hotels Frascati, das später umgebaut und zum Wohnsitz des ersten Reichskanzlers werden sollte, erzählt zwar von vergnüglicher Zerstreuung im Grünen. Die Fotografien zweier Friedrichsruh-Projekte – im Auftrag des Hamburger Verlags Strumper & Co. im Jahr 1884 und der Wilhelm Hoffmann AG aus Dresden um 1900 – zeugen allerdings auch von sehr einfachen Wohnverhältnissen und einem arbeitsreichen Leben mitten im Sachsenwald. Zu sehen sind unter anderem das Köhlerhaus, die Kupfermühle und das Landhaus, in dem sich heute das Bismarck-Museum befindet. Die Fotografie des Bahnhofs, heute Sitz der Otto-von-Bismarck-Stiftung, verrät angesichts des vielköpfigen Personals und der Anzahl der Gleise die Betriebsamkeit, die einst in diesem kleinen Ort herrschte. Abgerundet wird der Wandkalender mit einem Ausschnitt aus dem Gemälde „Friedrichsruh im Winter“, das der Hamburger Landschaftsmaler Valentin Ruths (1825 – 1905) schuf. Das Original ist in voller Größe im Bismarck-Museum zu sehen.

Erhältlich ist unser Wandkalender zum Preis von 7,50 Euro (zzgl. Porto) im Historischen Bahnhof Friedrichsruh, im Bismarck-Museum und in unserem Online-Shop.