Der Wahn, der in den Holocaust führte. Rückblick auf den Jahresvortrag des Fördervereins

Der Flüchtling, Gemälde von Felix Nussbaum (1904-1944), Brüssel 1939 (Yad Vashem Art Museum, Jerusalem, gemeinfrei für nichtkommerzielle Zwecke). Der Maler Felix Nussbaum und seine Ehefrau, die Künstlerin Felka Platek, wurden im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau ermordet.

Für die Hitler-Zitate entschuldigte sich Dr. Joachim Riecker vorab. Aber sie waren ihm unumgänglich, um das Gedankengut des NS-Diktators zu illustrieren. „Hitlers 9. November – Wie der Erste Weltkrieg zum Holocaust führte“ lautete der Titel des Vortrags, den der Historiker auf Einladung des Vereins zur Förderung der Otto-von-Bismarck-Stiftung am vergangenen Freitag im Theatersaal des Augustinums Aumühle hielt.

Dr. Riecker ist der Stiftung besonders verbunden: Nach seinen Tätigkeiten als Journalist und Publizist, Pressesprecher der CDU-/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag sowie als Sprecher von Monika Grütters, damals Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, war er eine Zeit lang unter ihrer Nachfolgerin Claudia Roth für die Politikergedenkstiftungen des Bundes zuständig. In dieser Zeit entstand ein herzlicher Kontakt, der auch den nächsten Wechsel seines Arbeitsbereichs überdauert hat. Dr. Riecker ist jetzt für die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien u.a. für den Aufbau der Stiftung Orte der deutschen Demokratiegeschichte zuständig.

Dr. Joachim Riecker verzichtete auf ein Honorar und spendete die Einnahmen aus dem Buchverkauf des Abends dem Förderverein. (Fotos: © Otto-von-Bismarck-Stiftung / Natalie Wohlleben)

Mit seinem Vortrag griff Dr. Riecker das Thema eines Buches wieder auf, das er 2009 veröffentlichte und das auch auf dieser Veranstaltung Diskussionsstoff bot. Als historischen Hintergrund skizzierte er die polarisierten Debatten in der Weimarer Republik über die Frage, wie die Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg zu erklären sei. Diese Debatten seien insbesondere für viele Menschen, deren Angehörige gefallen waren, höchst emotional mit Zweifeln über die Sinnhaftigkeit des Sterbens auf den Schlachtfeldern verbunden gewesen. In der Weimarer Republik sei nie ein gesellschaftlicher Konsens über das Kriegsende entstanden, so Dr. Riecker, wozu auch der vielfach als ungerecht empfundene Versailler Vertrag und schwere wirtschaftliche Krisen wie im Jahr 1923 beigetragen hätten. Während die Demokraten berechtigterweise von der äußeren Übermacht ausgegangen seien, hätten rechtsextreme Nationalisten einem „inneren Feind“ die Schuld gegeben. Vor diesem Hintergrund rückte Dr. Riecker in den Mittelpunkt seiner Ausführungen, wie Hitler sich die Niederlage sowie die Revolution 1918/19 in München erklärte. Er habe einen antisemitischen Verschwörungswahn entwickelt, der ihn zu der Überzeugung habe kommen lassen, dass Deutschland nur durch die Ermordung der Juden – die er als „innere Feinde“ identifizierte – Weltmacht werden könne. Als Diktator habe er praktisch jede Entwicklung im Zweiten Weltkrieg ausgehend von diesen wahnhaften Ideen erklärt und bis zu seinem Selbstmord 1945 selbst geglaubt.

Auch in der Diskussion mit dem Publikum betonte Dr. Riecker die zentrale Bedeutung der Frage, wie es zum Holocaust kommen konnte, und verwies – an dieser Stelle thematisch fokussiert – noch einmal auf den fehlenden demokratischen Konsens und den Antisemitismus in der Weimarer Republik. Mit dieser mit etwa 80 Gästen gut besuchten Veranstaltung bot der Förderverein einen interessanten Abend, der bei einem anschließendem Empfang ausklang.

Gäste und Redner wurden von Dr. Pauline Puppel, Vorsitzende des Vereins zur Förderung der Otto-von-Bismarck-Stiftung, begrüßt.

 

Der Jahresvortrag im Augustinum Aumühle stieß auf reges Interesse.