Kleiderordnung mit Kalkül
Mit welcher Garderobe sollte er sich als preußischer Ministerpräsident und deutscher Reichskanzler in der Öffentlichkeit zeigen? Otto von Bismarck löste diese tägliche Frage wie für einen Adeligen durchaus üblich mit einer Uniform. Diese Entscheidung erscheint mit Blick auf seine persönliche Haltung zum eigenen Militärdienst allerdings keinesfalls selbstverständlich.
Der 22-jährige Bismarck absolvierte nach abgeschlossenem Jura-Studium gerade sein Referendariat – das er wiederholt unterbrach, um unter anderem mit einer jungen Engländerin und ihrer Familie zu reisen –, als ihn der Einberufungsbescheid erreichte. Bei höherer Schulbildung gab in Preußen für Wehrdienstleistende die Möglichkeit, bei freiwilliger Meldung zur Truppe die Dienstzeit auf ein Jahr zu verkürzen. Aber auch das schien dem lebenslustigen jungen Mann eine Zumutung zu sein: Unter Hinweis auf eine (vermeintliche) Muskelschwäche im rechten Arm versuchte Bismarck, seine Einberufung zu verhindern – vergeblich. Im März 1838 musste er seinen Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger beim Garde-Jäger-Bataillon in Potsdam antreten. Im Herbst wechselte er ins Jäger-Bataillon Nr. 2 in Greifswald und nutzte die Zeit der Stationierung dort, um sich an der Königlichen Staats- und landwirtschaftlichen Akademie Eldena weiterzubilden. Als Reservist wurde er 1842 zur Kavallerie versetzt, zum Landwehroffizier befördert und nahm an einer Übung des 4. Ulanenregiments teil.
Seine weitere militärische Karriere setzte Bismarck erst viele Jahre später – nun ausschließlich ehrenhalber – fort. Am 18. Oktober 1868 wurde er als Generalmajor dem Magdeburger Kürassier-Regiment 7 (seit 1889: Kürassier-Regiment von Seydlitz [Magdeburgisches] Nr. 7) à la suite zugeordnet. Diese Ernennung, die mit keinerlei dienstlichen Pflichten verbunden war, berechtigte den preußischen Ministerpräsidenten, sich in entsprechender Uniform zu kleiden. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits Preußens Rolle in zwei Kriegen (1864 und 1866) mitverantwortet, der Deutsch-Französische Krieg sollte 1870/71 folgen. Bismarck entschied, die Uniform stets bei öffentlichen Auftritten zu tragen, und demonstrierte damit stofflich die Einheit von Politik und Militär. Und tatsächlich zeigen ihn Fotografien, die bei offiziellen Auftritten angefertigt wurden, seit 1870 meist in Uniformmantel und gelegentlich mit Pickelhaube.
Bei der Kaiserproklamation in Versailles am 18. Januar 1871 trug Bismarck eine blaue Uniform, den kleinen Dienstanzug des Kürassier-Regiments. Auf dem Gemälde „Die Proklamierung des deutschen Kaiserreiches (18. Januar 1871)“, das im Bismarck-Museum Friedrichsruh zu sehen ist, stellte ihn der Maler Anton von Werner 1885 im weißen Paradeanzug in den Mittelpunkt – das Bild war ein Geburtstagsgeschenk der kaiserlichen Familie und sollte den Reichskanzler besonders ehren.
Die persönlichen Kontakte zum Regiment, dessen Uniform er trug, beschränkten sich, wie eine von Victor Köhler zusammengestellte Chronik zeigt, auf wenige Zusammentreffen. So überreichte ihm eine Offiziersdelegation 1887 zum 50jährigen Militärjubiläum einen silbernen Humpen, verbunden mit den besten Wünschen des Regiments. 1891 wurden Glückwünsche zum Geburtstag überbracht. Und am 26. Januar 1894 schließlich wurde der inzwischen betagte Bismarck als Generaloberst von Kaiser Wilhelm II. ehrenhalber zum Chef des Regiments ernannt. Eine Offiziersdeputation beglückwünschte ihn dazu in Berlin, wo er sich zum „Versöhnungstreffen“ mit dem Kaiser aufhielt, und Unteroffiziere des Regiments hielten Ehrenwache vor den Räumen im königlichen Schloss, in denen er übernachtete.
Nur sehr wenige Aufnahmen zeigen ihn mit dem Doppelkürass, den Kaiser Wilhelm II. ihm zu seinem 80. Geburtstag am 1. April 1895 schenkte. Der Doppelkürass hatte sich aus der mittelalterlichen Ritterrüstung entwickelt, sein Name leitet sich von dem französischen „Cuirasse“ für einen Lederpanzer ab. Der für Bismarck angefertigte Doppelkürass ist außen versilbert, die Nieten und Schuppenketten sind vergoldet. Er ließ auf der linken Seite das Eiserne Kreuz I. Klasse anbringen, das er 1870 von Kaiser Wilhelm I. als Weihnachtsgeschenk erhalten hatte. Angesichts seines fortgeschrittenen Lebensalters, seiner angeschlagenen Gesundheit und seines ländlichen Umfelds in Friedrichsruh dürfte Bismarck diesen Doppelkürass kaum getragen haben – zumal er abseits der Öffentlichkeit ohnehin der praktischen Kleidung des Gutsherrn mit Mütze, Stiefeln, Jacke oder Regenmantel treugeblieben war.
Quellen:
Bismarck-Biografie.de: Chronik 1815 – 1839
Bismarck-Biografie.de: Kindheit und Ausbildung 1815 – 1839
Bismarck-Biografie.de: Privates: Persönlichkeit
Victor Köhler: Das Kürassier-Regiment von Seydlitz (Magdeburgisches) Nr.7, seine Geschichte, Hannover 1935
W. von Oechelhaeuser: Kurzgefaßte Geschichte des Kürassier-Regiments von Seydlitz (Magdeburgisches) Nr. 7, Halberstadt 1906
Rayk Unger: Der Doppelkürass. Blogbeitrag vom 11. Oktober 2019
Der Doppelkürass ist als Mai-Kalenderblatt im Wandkalender „Durchlauchtigster Fürst“ zu sehen. Im April wurde das „Potpourri mit Maikäfer“ vorgestellt.