Bilder vom westlichen Ende der neuen Welt

„San Francisco Bay. Golden Gate from Telegraph Hill“, Aufnahme von I. W. Taber aus den 1880er-Jahren.

Ein Blick auf die San Francisco Bay noch ohne die Golden Gate Bridge, ein chinesischer Lebensmittelladen mit üppiger Auslage, Mammutbäume und die Rocky Mountains – in dem Video „Fotogruß aus San Francisco“ zeigen wir einen Bilderschatz mit Aufnahmen überwiegend aus den 1880er-Jahren. Otto von Bismarck erreichte dieses Geschenk zu seinem 80. Geburtstag am 1. April 1895, heute ist es im Bismarck-Museum Friedrichsruh ausgestellt.

„Chinese Consulate. Chinatown, S.F., Cal.; Chinese Butcher and Grocery Shop, Chinatown S.F.“, Foto: I.W. Taber, San Francisco

Absender waren deutsche Auswanderer, die ihr Glück in Kalifornien suchten und sich dennoch der alten Heimat verbunden fühlten. Die Fotografien, die sie für dieses Geschenk zusammenstellten, erzählen von einem noch sehr überschaubaren San Francisco und einer dünn besiedelten, wilden Landschaft. Sie spiegeln damit das Selbstverständnis der Absender, als Pioniere den Westen Amerikas für sich zu erobern. Von ihrem einfachen Leben zeugt auch die Geschenkverpackung: Die großformatigen Bilder, die von professionellen Fotografen angekauft worden waren, reisten in der dicken Scheibe eines Baumstammes über den Atlantik.

Der Gesamteindruck wird geprägt durch die Naturaufnahmen an der Küste, in den Wäldern und im Gebirge. Diese historischen Fotos verraten damit nichts über die politisch unruhigen Zeiten, die Kalifornien geprägt hatten: Die indigene Bevölkerung sah sich im 16. Jahrhundert zunächst mit der spanischen Kolonisation und seitdem mit der Einwanderung durch Europäer konfrontiert, ab 1821 gehörte dieser Landstrich zu Mexiko. 1846 proklamierten amerikanische Siedler die unabhängige Republik Kalifornien, ohne zu wissen, dass die USA und Mexiko bereits im Krieg um das begehrte Gebiet standen. Kurz nach dem Ausbruch des Goldrausches Anfang 1848 musste Mexiko Kalifornien an die USA abtreten. Erst 1850 trat Kalifornien, 74 Jahre nach der US-amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, als sklavereifreier Staat den Vereinigten Staaten bei. Damit begannen aber nicht für alle Bewohner des neuen Bundesstaates unbeschwerte Zeiten, neben den Afro-Amerikanern wurden vor allem die aus China stammenden Menschen lange Zeit diskriminiert.

Deutsche stellten in den Jahren zwischen 1820 und 1870 nach den Iren die zweitgrößte Gruppe (ca. 2,4 Millionen) der über sieben Millionen Menschen, die aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen in die USA einwanderten. 1870 machten sie 18,5 Prozent der Einwohner von San Francisco aus, bis zur Jahrhundertwende sollte ihr Anteil auf ein Viertel steigen. Mit ihrem Fotogeschenk boten sie Bismarck einen damals ungewöhnlichen Blick auf ihre neue Heimat – er selbst war zwar viel gereist, hatte aber Europa niemals verlassen.

„The Half Dome, 4.953 feet, Yosemite, Cal.“, Foto: I. W. Taber, San Francisco

 

Das Video: