Kalenderblatt: Landhaus Friedrichsruh, um 1900
„Todfeinde“ sollten diejenigen sein, die ihm ein Museum bauten, wetterte Otto von Bismarck 1889. Er konnte nicht ahnen, dass der Neubau, den er ein Jahr zuvor in Friedrichsruh in Auftrag gegeben hatte, eines Tages genau das sein würde: sein Museum.
Nachdem der erste Reichskanzler 1871 Teile des Sachsenwaldes als Geschenk erhalten und sich für Friedrichsruh als Wohnort entschieden hatte, kaufte er die beiden örtlichen Erbzinsgüter: das westlich gelegene mit der alten Tuchfabrik, zu der sechs Gebäude gehörten (im Bereich des heutigen Schmetterlingsgartens), sowie das Gut Friedrichsruh samt dem Hotel-Restaurant „Frascati“ und zwei weiteren Wirtshäusern. Eines davon war das Landhaus, eine eher einfache Gaststätte, die direkt gegenüber dem etwas mondäneren „Frascati“ und dem dazugehörigen Pferdestall gelegen war.
1888 brannte das Landhaus ab und Bismarck – der stets den wirtschaftlichen Nutzen seiner Besitztümer im Auge hatte – ließ auf dem Grundstück ein massives Fachwerkhaus bauen, in dem wieder ein Pächter den Gastronomiebetrieb aufnehmen konnte. Die Gaststätte erfreute sich bald großer Beliebtheit und „brummte“ besonders in der Zeit rund um den Geburtstag Bismarcks am 1. April, wenn seine Bewunderer zu Hunderten und Tausenden anreisten, um ihm zuzujubeln.
Das Landhaus blieb für viele Jahrzehnte ein Ausflugslokal und wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg von der Familie von Bismarck in die Pläne einer erneuten Einrichtung eines Museums einbezogen. Das erste Bismarck-Museum war 1891, noch zu Lebzeiten des ersten Reichskanzlers, an seinem Geburtsort Schönhausen/Elbe entstanden – nicht im Geburtshaus, in dessen erhaltenem Seitenflügel sich heute das dortige Bismarck-Museum befindet, sondern in einem zweiten, 1885 zurückgekauften ehemaligen Gutshaus der Familie. 1901 wurde zudem im Aumühler Bismarck-Turm eine kleine Ausstellung eingerichtet, die aber 1922 wieder aufgelöst wurde. 1927 wurden dann aus Schönhausen einige Exponate nach Aumühle gebracht und in der Villa „Alter Forsthof“ ausgestellt. Diese Objekte zogen 1933 in den Marstall in Friedrichsruh um, wo sie bis zur Bombardierung des Herrenhauses am 29. April 1945 besichtigt werden konnten. Bei Kriegsende wurden diese Erinnerungsstücke, Dokumente, Bilder und Gemälde um weitere Exponate ergänzt, die die Familie aus Schönhausen holen konnte – das erste Bismarck-Museum dort sollte in der Sowjetischen Besatzungszone keine Zukunft mehr haben.
In Friedrichsruh war damit ein umfangreicher Fundus vorhanden und so eröffnete im Dezember 1950 in einigen renovierten Räumen des Landhauses das neue Bismarck-Museum. 1965 wurde der Gastronomiebetrieb eingestellt, seitdem nimmt die Ausstellung das gesamte Erdgeschoß ein. Gezeigt werden historische Erinnerungsstücke und persönliche Gebrauchsgegenstände Bismarcks sowie Darstellungen bedeutsamer Ereignisse und Personen. Berühmtestes Exponat ist das Gemälde „Die Proklamierung des deutschen Kaiserreiches (18. Januar 1871)“ des Malers Anton von Werner. Die zehn Ausstellungsräume und das mit originalem Mobiliar nachgestellte Arbeitszimmer vermitteln insgesamt einen Eindruck von der historischen Bedeutung des ersten Reichskanzlers. Die Sammlung wurde 1998 von dem Aumühler Kulturwissenschaftler Nikolaj Müller-Wusterwitz behutsam neu geordnet, seit 2009 betreut die Otto-von-Bismarck-Stiftung das Museum als Dauerleihgabe.
Das Bismarck-Museum in Friedrichsruh ist Dienstag bis Sonntag 10 – 18 Uhr geöffnet (von Oktober bis März 10 – 16 Uhr) und kann auch virtuell besichtigt werden.
Einige Hinweise zur Geschichte des Landhauses und des Bismarck-Museums finden sich in:
Ulrich Lappenküper, Bismarcks Erbe. Friedrichsruh als Medium der Erinnerung, in: Tilman Mayer (Hg.), Bismarck: Der Monolith. Reflexionen am Beginn des 21. Jahrhunderts, Hamburg 2015, S.234-266
Otto Prueß, Aumühle. Geschichtliches über Aumühle, Friedrichsruh und den Sachsenwald, Schwarzenbek 2002
Zuvor erschienen: Kalenderblatt: Das Turmhaus, 1884