Die Darstellung nimmt Bezug auf die revolutionären Ereignisse des Jahres 1848 in Europa. Menschen verschiedener Nationen bewegen sich in einem langen Zug, vorbei an einem Freiheitsbaum, in Richtung einer Allegorie der Freiheit, welche die Fackel der Aufklärung in der Hand hält. Das Werk vermittelt die idealisierte Vorstellung von einer alle Völker umfassenden Freiheit und Brüderlichkeit. – „République universelle démocratique et sociale: Le Pacte“. Kolorierte Lithografie (Reproduktion), Frédéric Sorrieu (1807 – 1887), Frankreich, 1848, Papier (Otto-von-Bismarck-Stiftung Friedrichsruh, Inventar-Nr.: ZSg 2767).
Das zweite Kapitel der Sonderausstellung trägt den Titel „Rivalen“ und geht näher auf das Verhältnis zwischen Franzosen und Deutschen ein – gefragt wird auch, ob der Begriff „Erbfeindschaft“ überhaupt jemals zutreffend war. Sichtbar wird vielmehr die politische Konkurrenz zwischen dem Norddeutschen Bund und dem Zweiten Französischen Kaiserreich Napoleons III. Diese Konkurrenz prägte die Gründungsgeschichte des deutschen Nationalstaats.
Europäische Rivalen
Blick in die Ausstellung (Foto: Otto-von-Bismarck-Stiftung / Jürgen Hollweg)
Frankreich und Deutschland verbindet eine lange und wechselhafte Geschichte. Beide Länder führen ihre historischen Wurzeln bis auf das Fränkische Reich zurück. Vom Mittelalter an bis in die Neuzeit hinein prägten Rivalität, aber auch Zusammenarbeit zwischen den französischen Monarchen sowie den römisch-deutschen Kaisern und Königen die gemeinsame Geschichte.
Die gegenseitige kulturelle Beeinflussung wurde durch zeitweilige Konflikte nicht behindert. Seit der Mitte des 17. Jahrhunderts galten französische Sprache und Kultur beim deutschen Adel sowie beim Bürgertum als nachahmenswert. Auch die freiheitlichen Errungenschaften der Französischen Revolution wurden in liberalen Kreisen östlich des Rheins positiv aufgenommen. Im 19. Jahrhundert verstärkte sich in Frankreich das Interesse an der deutschen Kultur erheblich.
Über Jahrhunderte bemühten sich die Herrscher Frankreichs, ihre Ostgrenze in Richtung des Rheins und der Alpen zu verschieben. Seit der frühen Neuzeit gehörte die Schwächung der kaiserlichen Gewalt im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation und das gegenseitige Ausspielen der deutschen Fürsten zu den Grundprinzipien der französischen Außenpolitik. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts versuchte Frankreich, die Einigung Deutschlands zu verhindern, um seine Vormachtstellung in Europa nicht zu gefährden. Östlich des Rheins blieb hingegen nach den Erfahrungen der napoleonischen Kriege die Furcht vor französischen Aggressionen weiter bestehen.
Napoleon I. hatte weite Teile Deutschlands seiner Herrschaft unterworfen. Die Deutschen profitierten zwar von den Errungenschaften der Französischen Revolution und der napoleonischen Reformen. Aber sie waren verbittert über die Belastungen der französischen Fremdherrschaft. Das Bild zeigt Napoleon I. im Krönungsornat (1804). – Napoleon I. (1769 – 1821), Kaiser der Franzosen und König von Italien Stich, Auguste Gaspard Louis Boucher-Desnoyers (1779 – 1857), nach François Pascal Simon Gérard (1770 – 1837), Frankreich, um 1808, Papier, Pappe, Holz, Glas (Otto-von-Bismarck-Stiftung Friedrichsruh, Inventar-Nr.: O 2021/005).
Charles Louis Napoléon Bonaparte, ein Neffe Napoleons I., wurde 1848 zum Präsidenten der Zweiten Französischen Republik gewählt. 1851 festigte er durch einen Staatsstreich seine Stellung, im Jahr darauf erneuerte er das 1815 untergegangene Kaiserreich. Während seiner Regierungszeit entwickelte sich Frankreich politisch, militärisch und wirtschaftlich zur führenden Nation des Kontinents. Eugénie de Montijo war seit 1853 mit Napoleon III. verheiratet, die Kaiserin galt als Stilikone ihrer Zeit. – Napoleon III. (1808 – 1873), Kaiser der Franzosen. Handkolorierter Stahlstich, Daniel John Pound (1820 – 1894) nach Franz Xaver Winterhalter (1805 – 1873), Großbritannien, um 1860, Papier (Leihgabe aus Privatbesitz); Eugénie de Montijo (1826 – 1920), Kaiserin der Franzosen, Gräfin von Teba, Marquise von Ardales. Handkolorierter Stahlstich, Daniel John Pound (1820 – 1894), Großbritannien, um 1865, Papier (Otto-von-Bismarck-Stiftung Friedrichsruh, Inventar-Nr.: ZSg 2769)
Das Bild zeigt den Empfang des preußischen Gesandten Otto von Bismarck durch das französische Kaiserpaar im Jahr 1862. Von März bis September 1862 leitete Bismarck die preußische Gesandtschaft in Paris. Er befürwortete eine flexible Politik gegenüber dem Zweiten Kaiserreich. Zum ersten Mal waren sich Bismarck und Napoleon III. bereits 1855 auf einem Ball in Versailles begegnet. – Empfang Otto von Bismarcks am französischen Kaiserhof. Zeichnung, Carl Röhling (1849 – 1922), aus: Otto von Bismarck. Ernstes und Heiteres aus dem Leben des grossen Kanzlers, Berlin 1897, S. 20.
Im August 1866 stimmten die nord- und mitteldeutschen Staaten dem Eintritt in einen neu zu errichtenden Bund nördlich des Mains zu. Die Verfassung des Norddeutschen Bundes trat nach der Zustimmung durch den konstituierenden Reichstag und durch die Landesparlamente am 1. Juli 1867 in Kraft. Die Nationalbewegung forderte den raschen Anschluss Bayerns, Württembergs und Badens. Die preußische Regierung ging aber davon aus, dass die deutsche Einheit erst langfristig zu erreichen sein würde. – Karte des Norddeutschen Bundes. Grenzkolorierter Stahlstich, W. Kratz und F. Kern, nach Heinrich Johann Samuel Kiepert (1818 – 1899) und Adolf Gräf, Deutschland, um 1870, Papier (Leihgabe aus Privatbesitz).
Sonderausstellung „1870/71. Reichsgründung in Versailles“
im Bismarck-Museum und im Historischen Bahnhof Friedrichsruh
22. Juni – 14. November 2021, Dienstag bis Sonntag 10 – 18 Uhr (ab Oktober 10 – 16 Uhr)
Eintritt: 4 Euro oder ermäßigt, freier Eintritt für Schulklassen sowie Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.
Zuvor erschienen: Versailles – 1870/71. Reichsgründung in Versailles (Teil I)