Gutsbesitzer und gutmütiger Vater. Vor 175 Jahren starb Ferdinand von Bismarck
Als Karl Wilhelm Ferdinand von Bismarck am 22. November 1845 aus dem Leben schied, wusste er wenigstens zwei seiner Kinder auf einem guten Lebensweg. Der älteste Sohn, der 35-jährige Bernhard, war Gutsbesitzer und Landrat und hatte ihn zum zweifachen Großvater gemacht. Die Zukunft seiner Tochter, der erst 18-jährigen Malwine, war seit ihrer Hochzeit ein Jahr zuvor mit Oskar von Arnim-Kröchlendorff finanziell abgesichert. Nur für den zweiten Sohn schienen die Ausschichten nicht allzu rosig zu sein: Der 30-jährige Otto hatte zwar sein Jurastudium beendet, das Referendariat aber abgebrochen und bewirtschaftete nun – immerhin erfolgreich – in Pommern das Gut Kniephof, das der Familie lange Jahre als Hauptsitz gedient hatte.
Ferdinand von Bismarck selbst konnte auf ein langes Leben zurückblicken, in das er in privilegierter Stellung hineingeboren worden war. Er erlebte aber auch persönlich wirtschaftlich schwierige Zeiten, wurde Zeitzeuge großer politischer Umwälzungen und musste sich privat damit abfinden, nicht das ganz große Glück gefunden zu haben.
Geboren wurde er am 13. November 1771 auf dem elterlichen Gut in Schönhausen/Elbe. Da seine Mutter Christiane kurz vor seinem ersten Geburtstag starb, wuchs er mit seinen drei Brüdern beim Vater Karl Alexander auf. Ferdinand wurde kein kultivierter Schöngeist wie dieser, galt aber als gutmütig und hatte später als Familienvater ein Herz für Kinder. Sein Sohn Otto erinnerte sich an ihn als einen unkomplizierten Menschen:
„Mein Vater war vom aristokratischen Vorurtheile frei und sein inneres Gleichheitsgefühl war, wenn überhaupt, nur durch die Offizierseindrücke seiner Jugend, keineswegs aber durch Ueberschätzung des Geburtsstandes modificirt.“
Die „Offizierseindrücke“ begann Ferdinand von Bismarck 1793 im Ersten Koalitionskrieg gegen Frankreich zu sammeln, in den er – wie seine drei Brüder – ziehen musste. Zwei Jahre später strebte er dauerhaft ins zivile Leben zurück und half seinem Vater auf dem Gut, das er nach dessen Tod 1797 erbte. Die ausführlichste Beschreibung seiner Biografie findet sich bei Ernst Engelberg. Er schildert ausführlich das einfache Leben in Schönhausen und Ferdinand von Bismarcks Rolle als Gutsbesitzer, der an den tradierten Regeln festhielt. Diese waren nicht immer einfach umzusetzen: Im März 1803 forderte er die ihm dienstverpflichteten Bauern förmlich auf, endlich ihre Arbeit ordentlich zu erledigen.
Durch das Erbe war aus dem altmärkischen Junker eine gute Partie geworden und so heirateten im Juli 1806 er und die erst 17-jährige Louise Wilhelmine Mencken, deren Familie enge Beziehungen zum preußischen Königshaus pflegte. Von den späteren Biografen Otto von Bismarcks werden sie als ungleiches Paar beschrieben, das nur wenige gemeinsame Interessen hatte. Sie teilten jedoch das Schicksal vieler Eltern in einer Zeit, die von einer hohen Kindersterblichkeit geprägt war: Von ihren sechs Kindern erreichten nur drei das Erwachsenalter.
Auf das frisch getraute Ehepaar warteten in Schönhausen vorerst keine beschaulichen Tage. Es herrschte wieder Krieg gegen Frankreich und für den königstreuen Preußen Ferdinand von Bismarck bot sich die Gelegenheit einer kleinen Heldentat. Am 19. Oktober 1806, wenige Tage nach der Schlacht bei Jena und Auerstedt, half er König Friedrich Wilhelm III., mit seiner Leibschwadron über die Elbe zu entkommen. Als Dank erhielt er, wie bei Jochen Thies nachzulesen ist, einen kostbaren Hengst geschenkt.
Die Freude währte nur kurz, denn bald besetzten französische Truppen Schönhausen. Sie beschlagnahmten unter anderem Hafer und Heu, außerdem quartierte sich ein Offizier nebst Begleitung für fast drei Jahre im Gutshaus ein. Damit sollten die Kriegszeiten noch nicht vorüber sein: Im April 1813 organisierte Ferdinand von Bismarck einen Landsturm. Mit den wehrbaren Männern des Dorfes, die nicht in Armee oder Landwehr dienten, wollte er sich den sich wieder nähernden französischen Soldaten entgegenstellen. Im Mai 1813 kamen die Lützower Jäger zu Hilfe. Der Dichter und Freiheitskämpfer Theodor Körner zog direkt neben dem Gut in das Pfarrhaus. Einige Monate später erreichte Ferdinand von Bismarck eine traurige Nachricht: Sein Bruder Leopold war im Oktober 1813 an einer Schussverletzung gestorben, die er sich bei der Völkerschlacht bei Leipzig zugezogen hatte.
Noch ehe die Kriege gegen Napoleon beendet waren, kehrte mit der Geburt des Sohnes Otto 1815 wieder das Glück in das Haus Bismarck ein. 1816 zog die Familie nach Pommern. Die Bewirtschaftung dreier Güter, die Ferdinand von Bismarck günstig von der Witwe eines Cousins erworben hatte und deren Haupteinnahmequelle Schafswolle war, erschien ihm vielversprechend. Aber als er sie 1838, kurz vor dem Tod seiner Frau, auf seine beiden Söhne übertrug, waren als Hypothekenschulden 9.000 Reichstaler eingetragen, außerdem hatte er sich bei Verwandten und Bekannten 6.000 Reichstaler geliehen.
Ferdinand von Bismarck zog mit seiner damals zwölfjährigen Tochter Malwine zurück auf sein Gut in Schönhausen. Sein beschauliches Landleben dort wurde 1840 noch einmal von einem historischen Ereignis unterbrochen: Zusammen mit seinem Sohn Otto nahm er in Berlin an der traditionellen Erbhuldigung für den neuen preußischen König Friedrich Wilhelm IV. teil.
Als 1845 sein Tod nahte, reiste Otto von Bismarck nach Schönhausen, um bei ihm zu sein. Ferdinand von Bismarck dürfte noch erfahren haben, dass sein Sohn als Abgeordneter in den Provinziallandtag von Pommern eingetreten war. Seine ungewöhnliche politische Karriere sollte er nicht mehr miterleben.
Das Zitat Otto von Bismarcks ist seinen „Gedanken und Erinnerungen“ entnommen.
Die Angaben zur Biografie Ferdinands von Bismarcks in diesem Text entstammen überwiegend zwei Büchern:
- Ernst Engelberg: Bismarck. Urpreuße und Reichsgründer, Berlin 1986
- Jochen Thies: Die Bismarcks. Eine deutsche Dynastie, München 2013
Das Porträtbild findet sich in:
- George Hesekiel, Das Buch vom Grafen Bismarck, Bielefeld 1869