Kalenderblatt: „Bismarck in Versailles“
Die Errichtung eines deutschen Nationalstaates wurde von den neutralen Mächten noch als legitimes Ergebnis des Deutsch-Französischen Krieges betrachtet. Die zu Kriegsbeginn eher Preußen zugeneigte Haltung der Neutralen und der ausländischen öffentlichen Meinung änderte sich aber mit den Erfolgen der deutschen Truppen sowie mit der Verkündung der geplanten Annexion von Elsass-Lothringen. Otto von Bismarck wollte daher den Krieg so rasch wie möglich beenden, um eine Einmischung der anderen Großmächte in den Konflikt zu vermeiden.
Er begann im Verlauf des Septembers 1870, mit Vertretern des alten Regimes wie auch mit der provisorischen Regierung der Republik über einen Friedensschluss zu verhandeln. Entscheidend für ihn war, welcher der Verhandlungspartner die Autorität haben würde, die deutschen Friedensbedingungen, zu deren Kernpunkten die Abtretung von Elsass-Lothringen und die Zahlung von Reparationen gehörten, zu akzeptieren und umzusetzen. Da die Bonapartisten jedoch nicht wieder zur Herrschaft gelangten und auch nicht bereit waren, die deutschen Bedingungen widerspruchslos hinzunehmen, blieb nur die provisorische republikanische Regierung als Verhandlungspartner übrig. Auch diese sträubte sich zunächst dagegen, die geforderten Gebietsabtretungen zu akzeptieren. Erst die Beschießung der belagerten Hauptstadt zwang die Franzosen, Ende Januar 1871 um einen Waffenstillstand zu bitten. Die am 8. Februar gewählte Nationalversammlung bestimmte eine neue Regierung unter Führung von Adolphe Thiers, der Jules Favre zu seinem Außenminister ernannte. Beide verhandelten mit Bismarck in dessen Quartier in Versailles über den Friedensschluss.
Der nach einem Gemälde des aus Karlsruhe stammenden Malers Carl (auch Karl) Wagner (1839 – 1923) angefertigte Druck zeigt Bismarck, Favre und Thiers während der zwischen dem 21. und dem 26. Februar 1871 stattfindenden Friedensverhandlungen in Versailles. Bismarck, in Uniform und aufrechter Pose, deutet mit seinem ausgestreckten linken Arm gebieterisch auf ein Dokument, das auf dem Tisch ausgebreitet ist, auf dem auch eine Schreibgarnitur sowie eine Flasche Wasser und ein Glas stehen. Bismarcks Blick geht in die Ferne. Der rechts von ihm stehende Favre weicht zurück, während der Körper des sitzenden Thiers im Lehnstuhl zu versinken scheint, das Gesicht macht einen kummervollen Eindruck. Links von Bismarck ist sein Helm erkennbar, der auf einer Kommode abgestellt ist. Am Boden liegen Papiere verstreut, an der Wand hängen eine Karte von Europa sowie etwas im Hintergrund gehalten ein Porträt von Napoleon I. zu Pferd. Ein Paravent schirmt Favre und Thiers von dem Kamin am rechten Bildrand ab. Bismarck dominiert die Szene; er gibt sich bei den Verhandlungen nur eingeschränkt konzessionsbereit und besteht zum Schrecken der Franzosen auf der Abtretung des Elsass und Deutsch-Lothringens. Schlussendlich müssen Thiers und Favre die deutschen Forderungen akzeptieren. Am 26. Februar 1871 wurden die Friedenspräliminarien von Bismarck, Thiers, Favre sowie den Bevollmächtigten der süddeutschen Staaten unterzeichnet. Der Tisch, auf dem die Unterzeichnung stattfand, ist heute im Bismarck-Museum Friedrichsruh ausgestellt.