Malwida von Meysenbug – das europäische Leben einer Deutschen. Rückblick auf den Vortrag von Prof. Dr. Joachim Radkau

Malwida von Meysenbug (1816 – 1903), Zeichnung von Franz von Lenbach

Mit Malwida von Meysenbug stellte Prof. Dr. Joachim Radkau eine ungewöhnliche Frau in den Mittelpunkt seines Vortrags, der in der vergangenen Woche im Historischen Bahnhof Friedrichsruh stattfand. Deutlich wurde ein Lebensweg, der selbstbestimmt beschritten wurde – trotz der vielfältigen rechtlichen und gesellschaftlichen Beschränkungen, denen die (nicht nur deutschen) Frauen im 19. Jahrhundert ausgesetzt waren.

Radkau hat 2022 seine umfangreiche Biografie Malwida von Meysenbugs publiziert, aus der er für seinen Vortrag aber nicht einfach nur schöpfte. Vielmehr setzte er einen für den Veranstaltungsort Friedrichsruh spezifischen Schwerpunkt: die vielfältigen Verknüpfungen, die sich zwischen Malwida von Meysenbug und Otto von Bismarck mittelbar herstellen lassen.

Malwida von Meysenbug wurde 1816 in Kassel als neuntes von zwölf Kindern in eine hugenottische Familie geboren. Wie in dieser Zeit üblich, wurde ihr eine formale Ausbildung verwehrt – eine Erschwernis in ihrem weiteren Leben, in dem sie sich trotz einer kleinen Erbschaft um ihren Unterhalt selbst kümmern musste; sie war nach einer ersten großen unglücklichen Liebe unverheiratet und kinderlos geblieben.

Politisch geprägt wurde Malwida von Meysenbug zunächst von der französischen Julirevolution 1830, die sich bis in ihre Heimatstadt Kassel auswirkte, und der Revolution 1848/49 – in Frankfurt reagierte sie wütend darauf, wie Radkau schilderte, dass Frauen von den Beratungen in der Paulskirche ausgeschlossen blieben. 1850 begann sie in Hamburg an der progressiven Hochschule für das weibliche Geschlecht eine Ausbildung zur Erzieherin und arbeitete dort auch als Lehrerin. In den weiteren Jahren und Jahrzehnten sollte sie allerdings keine klare demokratische und frauenrechtliche Haltung vertreten. Sie sei „politisch wankelmütig“ gewesen, stellte Radkau fest. Das Geschehen in Deutschland betrachtete sie dabei seit 1852 aus dem Exil, wohin sie sich nach der Schließung der Hamburger Hochschule aus Angst, sie könnte politisch verfolgt werden, geflüchtet hatte.

Prof. Dr. Joachim Radkau

Malwida von Meysenbug lebte in England, Frankreich und Italien, arbeitete als Lehrerin, übersetzte und publizierte eigene Texte. Mit ihrem Buch „Mémoires d’une idealiste (entre deux révolutions, 1830 – 1848)“, das 1867 auf Französisch und schließlich 1876 als „Memoiren einer Idealistin“ auf Deutsch erschien, gelang ihr ein Bestseller. Der französische Historiker Gabriel Monod, Ehemann ihrer Ziehtochter Olga Herzen, nominierte sie 1901 damit (vergeblich) für den Literatur-Nobelpreis.

Die Exilantin war, wie Radkau betonte, darin begabt, Freundschaften zu pflegen, beispielsweise zu Alexander Herzen, Richard Wagner, Friedrich Nietzsche und Romain Rolland. Die Bezüge zu Otto von Bismarck stellte Radkau vor allem über zwei Persönlichkeiten her: Lothar Bucher und Franz von Lenbach. Den einstigen 48er-Revolutionär Lothar Bucher habe sie im Londoner Exil überhaupt erst wieder aus seiner Isolation in die Gesellschaft zurückgeholt und damit durchaus die Weichen dafür gestellt, dass er später zu Bismarcks engem Vertrauten werden konnte. Sie selbst wechselte zum Reichskanzler immer wieder ihre Meinung, wie ihr Biograf anhand von Zitaten belegte.

Franz von Lenbach besuchte Otto von Bismarck mehrfach in Friedrichsruh. Diese Aufnahme zeigt ihn (re.) auf der Silvesterfeier 1891 (Foto: Karl Hahn).

Eine enge Freundschaft war auch mit dem Maler und gefragten (Bismarck-)Porträtisten Franz von Lenbach entstanden, er hatte sie sogar eingeladen, mit in seine Münchner Villa zu ziehen. Die freiheitsliebende Malwida von Meysenbug schlug das Angebot aus, was nichts an der beiderseitigen Verbundenheit änderte. So schrieb ihr Lenbach in einem auf Silvester 1889 datierten Brief aus Friedrichsruh: „Theure Freundin! In zwei Stunden werde ich mit meinem Freunde Otto auf Ihr […] Wohl trinken.“


Literatur

Joachim Radkau
Malwida von Meysenbug. Revolutionärin, Dichterin, Freundin: eine Frau im 19. Jahrhundert
München 2022

Malwida von Meysenbug
Memoiren einer Idealistin
1876, online bei Gutenberg-Projekt.org

siehe auch:

Cornelia Wenzel: Malwida von Meysenbug, in: Archiv der deutschen Frauenbewegung

Rita Bake: Hochschule für das weibliche Geschlecht, in: Hamburger Frauenbiografien, herausgegeben von der Behörde für Schule und Berufsbildung