Einmal Kanada und zurück – Porträts von Emil und Dora Specht in Friedrichsruh eingetroffen

Stefanie Micksch-Donohoe (l.) und Julie Micksch vor den Porträts ihrer Vorfahren Emil und Dora Specht. Die Gemälde sind derzeit im Historischen Bahnhof Friedrichsruh zu sehen.

Über einen weiten Umweg sind zwei Gemälde in den Sachsenwald zurückgekehrt. Sie gehörten zum Besitz der Nachfahren der Familie Specht, deren Geschichte einzigartig mit Friedrichsruh, Aumühle und Otto von Bismarck verbunden ist. Nun sind die Porträts von Emil und Dora Specht durch eine Schenkung Teil der Sammlung der Otto-von-Bismarck-Stiftung geworden.

Die Sachsenwald-Geschichte der Familie beginnt im Jahr 1846, als Heinrich und Sophie Specht nach Friedrichsruh ziehen, wo am 19. Juli ihr Sohn Emil geboren wird. Ein halbes Jahr später eröffnen sie in einem Holzbau ihr Lokal „Frascati“ – pünktlich zur Eröffnung der Eisenbahnstrecke Berlin – Hamburg und des Bahnhofs in Friedrichsruh. Wenige Jahre später brennt das „Frascati“ ab und wird als Hotel-Restaurant solide in Stein wiederaufgebaut. 1871 verkauft Heinrich Specht es dann an einen häufigen Gast: Reichskanzler Otto von Bismarck. Dieser hatte zwar von Kaiser Wilhelm I. den Sachsenwald als Geschenk erhalten, nach einer Bleibe aber muss er sich selbst umsehen. Bismarck lässt 1878/79 die Pacht an Specht auslaufen und richtet sich mit seiner Familie im ehemaligen „Frascati“ ein, regiert von dort aus mitunter wochen- und monatelang das Kaiserreich und verbringt schließlich in Friedrichsruh seinen Ruhestand.

Emil Specht wählt den umgekehrten Weg seines Vaters: Er verkauft nicht an Bismarck, sondern erwirbt von ihm drei Wald- und Weideflächen, die nach überlieferten Rechten von Anbauern gemeinschaftlich genutzt werden. Die Flurnamen finden sich noch heute in den Straßennamen Oberförsterkoppel, Hofriedeallee und Alte Hege. Die Anbauern werden von Bismarck finanziell entschädigt und Emil Specht startet mit einem großen Immobilienprojekt durch: 1891 gründet er im Gutsbezirk Friedrichsruh die private Villenkolonie Sachsenwald-Hofriede. Die großzügigen Bauten auf parkähnlichen Grundstücken werden damals vor allem von Hamburger Kaufleuten erworben. Seit 1913 gehören sie zur Gemeinde Aumühle und prägen noch heute das Ortsbild.

Mit Bismarck ist Specht nicht nur unternehmerisch verbunden, sondern verehrt ihn auch politisch. So lässt er den neuen technischen Wasserturm 1901 als Bismarck-Turm einweihen, außerdem leitet er den Ortsverband des 1904 gegründeten Reichsverbands gegen die Sozialdemokratie. Seinem Vermögen setzten dann allerdings Kriegszeit und Inflation empfindlich zu.

Von dieser späteren schweren Zeit aber verraten die beiden Porträts nichts, die jetzt der Otto-von-Bismarck-Stiftung übergeben wurden. Zu sehen sind Emil Specht (1846 – 1926) und seine Frau Dorothee („Dora“, 1844 – 1904) im Halbprofil vor dunklem Hintergrund. Die Gemälde sind um 1900 im Hamburger Malatelier Emil Bieber entstanden. Es handelt sich um sogenannte Pendantbildnisse, wie unser Museumspädagoge und Sammlungsleiter Dr. Maik Ohnezeit in einem Begleittext erläutert: „Dies ist die vorherrschende, vermutlich aus den Niederlanden stammende Darstellungsform von Ehepaaren vom 15. bis ins 19. Jahrhundert. Die bei solchen Ehepaarporträts in der Regel anzutreffende Anordnung des Mannes an der rechten Seite der Gattin ist wahrscheinlich auf christliche Traditionen zurückzuführen, nach denen der Mann in der Ehrenposition rechts von der Frau positioniert wird. Diese Darstellungsweise lässt sich auch aus der Heraldik (Wappenkunde) herleiten.“

Gemälde, Zeichnungen und zahlreiche Wertsachen aus der Innenausstattung der Familienvilla waren nach dem Tod eines der letzten Aumühler Specht-Nachfahren von bereits ausgewanderten Angehörigen nach Kanada verschifft worden, um sie geschlossen zu bewahren. Die Erbinnen Stefanie Micksch-Donohoe und Julie Micksch haben nun, auch im Namen ihrer Schwester Annette Micksch, die Porträts von Emil und Dora Specht der Otto-von-Bismarck-Stiftung als Schenkung überlassen, um ihren dauerhaften Erhalt in der alten Heimat ihrer Familie zu sichern.

Die Porträts sind derzeit im Historischen Bahnhof Friedrichsruh (Veranstaltungsraum, 1. Stock) zu sehen, es gelten die Öffnungszeiten der Dauerausstellung „Otto von Bismarck und seine Zeit“ sowie des Bismarck-Museums, Dienstag bis Sonntag 10 – 13 und 14 – 18 Uhr, der Eintritt ist frei.


Literatur:
Otto Prueß: Aumühle. Geschichtliches über Aumühle, Friedrichsruh und den Sachsenwald, Schwarzenbek 2001

Vielen Dank an Nikolaj Müller-Wusterwitz für die Auskunft zu den Lebensdaten von Dora Specht.