Die Pickelhaube bleibt auf dem Kopf. Der Künstler Julius von Bismarck kommentiert mit seinen Werken aktuelle Bismarck-Debatten
Die Pickelhaube sitzt fest auf dem Kopf, aber der Torso hat sich zweigeteilt und das Pferd scheint sich angesichts dieser Dekonstruktion überrascht umzublicken. Der Künstler Julius von Bismarck kommentiert in der Berlinischen Galerie, dem Museum für moderne Kunst in Berlin-Kreuzberg, mit Leichtigkeit und Witz die aktuellen Debatten über die Zukunft der Denkmäler seines Urururgroßonkels Otto von Bismarck: Das zusammengesunkene Reiterstandbild, dem Bremer Denkmal aus Holz nachempfunden, richtet sich wieder auf, scheint intakt – und fällt wieder in sich zusammen.
„When Platitudes Become Form“ lautet der Titel dieser Ausstellung, die bis zum 14. August zu sehen ist. Der Künstler – der sich dort nur „Julius“ nennt und den Nachnamen allein dem ersten Reichskanzler überlässt – zeigt „seinen Bismarck“ aber nicht allein als überdimensionales Kinderspielzeug („Drückfigur“), sondern stellt ihm eine Giraffe mit echtem Fell und gleicher Bauart zur Seite. Die Verbindung zwischen Otto von Bismarck, den Anfängen der deutschen Kolonialpolitik und den gegenwärtigen Debatten über die Dekolonialisierung wird eindrucksvoll ohne Worte hergestellt.
Als Bezugspunkt der künstlerischen Auseinandersetzung erscheint Otto von Bismarck auch bei den Exponaten, die auf dem Weg zu den beiden Spielfiguren gezeigt werden. Im Zugangsbereich ist ein großes Tuch aufgehängt, auf dem Julius von Bismarck die Wellenbewegungen der Bismarcksees festgehalten hat – jener kleiner Teil des Pazifischen Ozeans, der von den Inseln Papua-Neuguineas umgeben ist und daran erinnert, dass dort das Deutsche Reich Mensch und Natur in einer Kolonie ausbeutete. Heute ist die Inselwelt ganz anders bedroht: durch den – vor allem von den westlichen Industrienationen forcierten – Klimawandel und dem damit steigenden Meeresspiegel.
Die Verbindung von kolonialen Erfahrungen und der Wahrnehmung von Natur wird auch mit der Serie „I like flowers“ hergestellt. Julius von Bismarck zeigt Blätter von – aus deutscher Sicht – exotischen Pflanzen. Sie sind zu zweidimensionalen Objekten gepresst und scheinen im Raum zu schweben. Darunter sind auch die Wedel der Bismarck-Palme zu finden. Ihre Bezeichnung erinnert daran, dass die aus Europa zugereisten „Entdecker“ und Kolonialherren die Natur wahrnahmen und definierten, als ob diese Pflanzen nicht längst Namen besessen hätten. Einige Exemplare traten die Reise nach Deutschland an, wurden weitergezüchtet und zur beliebten Dekoration in deutschen Wohnzimmern.
Julius von Bismarck: „When Platitudes Become Form”
Ausstellung in der Berlinischen Galerie, 26. Mai bis 14. August 2023