Die Reise des Königs von Siam (auch) nach Friedrichsruh

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„Gestern Mittag traf hier der Generaladjutant des Königs von Siam, Phya Tejo, ein, um dem Fürsten Bismarck den ihm vom Könige am 2. September verliehenen Familienorden des Königlichen Hauses, in Brillanten und mit dem Bildnisse des Königs geziert, zu überreichen. Ferner war Phya Tejo Überbringer einer Anzahl von Geschenken, darunter der Platin-Photografien des Königs und der beiden Prinzen mit deren Unterschrift und zweier großer Blumenvasen (Hörner, getragen von siamesischen Kriegern) in hervorragend künstlerischer Arbeit.“

Horn, von einem Naturgeist getragen, Geschenk des Königs von Siam, 1897 (Bismarck-Museum, Friedrichsruh, Inventar-Nr.: A 250)

Die Hamburger Nachrichten berichteten am 4. September 1897 ausführlich auch über diese Begebenheit am Rande der großen Europareise von König Chulalongkorn, Rama V. von Siam (1853 – 1910). Sie wurde intensiv von der Presse begleitet, war sie doch reich an Begegnungen mit gekrönten Häuptern, Industriellen und anderen bekannten Persönlichkeiten. Zu den öffentlichkeitswirksamen Höhepunkten gehörten Festessen, Feuerwerke und Militärparaden – und ein Besuch des Alt-Reichskanzlers.

Auf dem Weg von Schwerin nach Hamburg hielt der Sonderzug, mit dem König Chulalongkorn reiste, am Nachmittag des 2. Septembers 1897 in Friedrichsruh. Wie die Presse zu berichten wusste und bei Rudolf Baierl im Begleitmaterial zur Ausstellung „Die Thai-Deutschen Beziehungen zur Zeit König Chulalongkorns“ nachzulesen ist, hatte sich Bismarck an diesem Tag in Zivilkleidung mit Zylinderhut gekleidet und „das Ordensband vom Weißen Elefanten mit der Dekoration, die er bereits vom Vater seines Gastes erhalten hatte“, angelegt. So wartete der 82jährige links der Haupttür des Herrenhauses und schickte seinen Schwiegersohn Kuno zu Rantzau zur Begrüßung des Königs an den Zug. Als sich der Gast mit seinem Gefolge näherte, ging Bismarck ihm, auf einen Gehstock gestützt, entgegen. Nach der Begrüßung führte er den König und dessen Söhne in den Salon, wo seine Tochter Marie zu Rantzau und eine Nichte warteten. Es wurden Zigarren, Zigaretten, Tee und Kognak gereicht, so der Pressebericht weiter, die lebhafte Unterhaltung fand auf Englisch statt. König Chulalongkorn erbat sich noch eine Fotografie Bismarcks und schritt dann Arm in Arm mit seinem Gastgeber zurück zum Zug. „Aus seinem Salonwagen winkte bei der Abfahrt der König dem Fürsten lebhafte Grüße zu.“

Offizieller Anlass der ausgiebigen Europareise König Chulalongkorns waren die Feierlichkeiten des 60-jährigen Regierungsjubiläums von Queen Victoria, so die Presseauswertung Baierls. Die vielen Stationen in Deutschland, die der König besuchte, zeugten von dem relativ engen Verhältnis, das man im Laufe des 19. Jahrhundert zueinander aufgebaut hatte. Es bestanden Handelsbeziehungen und einige siamesische Prinzen absolvierten Studium und militärische Ausbildung in Deutschland (und andere in England).

Otto von Bismarck und König Chulalongkorn, Rama V. von Siam, hinter ihnen steht Bismarcks Tochter Marie zu Rantzau, rechts im Bild (mit Zylinder) sind unter anderem die Prinzen Mahisara Rajaharudaya und Svastivatana Visishtha zu sehen. Fotografie vermutlich von Strumper & Co, Friedrichsruh, 2. September 1897

König Chulalongkorn reiste von England über Ostende zunächst an den Rhein und nach Sachsen. In Dresden war er Gast von König Albert I. und Königin Carola, Baierl zitiert dazu einen Zeitungsbericht: „Die in Hufeisenform aufgestellte Tafel war überaus reich und geschmackvoll ausgestattet worden. Die Goldgeschirre des Grünen Gewölbes waren in gefälligem Arrangement als Hauptschaustück vereint worden. Goldene Girlandolen, Rococovasen und -Figuren schmückten die Tafel. Auf zwei Spiegelplatons, mit Edelsteinen besetzt, ruhten herrliche Blumen. Inmitten der Tafel befand sich ein goldener Kelch, von vier goldenen Epargnen umrahmt. Es ward von Watteauporzellan und Silber gespeist.“

Weitere Stationen waren Potsdam und Berlin, wo König Chulalongkorn von Kaiser Wilhelm II. unter anderem zu einer Parade mit Feuerwerk, einer Übung der Feuerwehr und einem Festessen eingeladen wurde. In Schwerin veranstaltete Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg für den Gast unter anderem ein Wasserkorso auf dem Schweriner See und ebenfalls ein Feuerwerk, außerdem wurden im Hoftheater der erste und der dritte Akt der Wagner-Oper „Lohengrin“ aufgeführt. Abwechslung kam später ins Reiseprogramm, als der König sich in Essen mit einem Industriellen traf und über die wirtschaftliche Entwicklung informierte.

Insgesamt soll es dem König von Siam – was angesichts der Bemühungen seiner Gastgeber nicht verwunderlich ist – in Deutschland sehr gut gefallen haben. 1907 reiste er zu einem weiteren Besuch an und vertiefte seine Kontakte, vor allem auch mit Blick auf die Handelsbeziehungen und zum Nutzen der Modernisierung seines Landes.

Zwei seiner Gastgeschenke, die er in Friedrichsruh übergeben ließ, sind heute im Bismarck-Museum zu sehen: die beiden Hörner, die eingangs als Blumenvasen identifiziert wurden. Bei den Figuren, die sie tragen, handelt es sich augenscheinlich um Yakshas. Diese Naturgeister seien im Buddhismus und Hinduismus als niedere Götter verehrt worden, wie Smarthistory informiert, oftmals als Beschützer der Reichtümer der Erde. Sie symbolisierten damit auch den Wohlstand.

 

Das thailändische Horn ist als Juni-Kalenderblatt im Wandkalender „Durchlauchtigster Fürst“ zu sehen. Im Mai wurde der Doppelkürass in dem Beitrag „Kleiderordnung mit Kalkül“ vorgestellt.


Quellen:

Rudolf Baierl: Die Thai-Deutschen Beziehungen zur Zeit König Chulalongkorns. Zur Ausstellung in der Königlich Thailändischen Botschaft, Berlin 2000

Besuch des Königs von Siam bei Kaiser Wilhelm II. auf Schloss Wilhelmshöhe, 9. August 1907, Zeitungsbericht, aus: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen, zitiert nach Rudolf Baierl, Die Thai-Deutschen Beziehungen zur Zeit König Chulalongkorns: Zur Ausstellung in der Königlich Thailändischen Botschaft, Berlin 2000, S. 19 f.

Bismarck-Biografie.de: Otto von Bismarck und König Chulalongkorn, Rama V. von Siam

Hamburger Nachrichten, Bericht über die Übergabe der königlichen Geschenke in Friedrichsruh, 4. September 1887, aus: Fürst Bismarck nach seiner Entlassung, herausgegeben und mit historischen Erläuterungen versehen von Johs. Penzler, Leipzig 1898

Ulrich Lappenküper: Bismarck und Asien, in: Ulrich Lappenküper / Karina Urbach (Hrsg.): Realpolitik für Europa – Bismarcks Weg, Paderborn 2016, S. 211 – 236

The Map Academy, Yaksha und Yakski, aus: Smarthistory, 9. August 2022