Theaterrevolution in Teamarbeit. Rückblick auf den Vortrag über Georg II. von Sachsen-Meiningen
Der Einfluss seiner Erziehung und Sozialisation auf spätere Lebensentscheidungen zog sich als roter Faden durch diesen reich bebilderten Vortrag: Dr. Maren Goltz, Kustodin der Sammlung Musikgeschichte/Max-Reger-Archiv der Meininger Museen, stellte im Historischen Bahnhof Friedrichsruh das ungewöhnliche Leben von Georg II. von Sachsen-Meiningen (1826 – 1914) vor – im Kaiserreich war er als „Theaterherzog“ bekannt.
Sein Kinderbett war mit einem Wiegemechanismus und einer Musikapparatur ausgestattet, die Mozart-Opern abspielte – dies mag ein Grund gewesen sein, warum er später am Meininger Theater keine Opern aufführen ließ, vermutete Goltz. Das Kinderbett diente ihr als ein „Beweisstück“ für die intensive Sorge der Eltern um das Wohlergehen ihres Sohnes. Sein Vater vertrat zudem eine Auffassung von Erziehung, in der Goltz reformpädagogische Elemente ausmachte: Bis zum 14. Lebensjahr sollte ein Kind seiner Ansicht nach nur durch Konversation lernen. Damit er viele soziale Kontakte pflegen konnte, wurde der junge Georg mit neun Jahren zu seinem Kummer von der Mutter getrennt und in die fünfköpfige Familie seines Lehrers Moritz Seebeck gegeben. In dieser Umgebung wuchs er bürgerlich auf.
Goltz konnte anhand eines Haushaltsbuches, das der junge Georg über seine persönlichen Ausgaben führte, seinen Alltag und seine Interessen nachverfolgen. So finden sich Ausgaben für den Schneider und den Schuhmacher, aber auch für die Verglasung eines Bildes seines Zeichenlehrers Wilhelm von Lindenschmit. Georg wurde früh in seinen Begabungen gefördert und erhielt neben Mal- auch Klavierunterricht. Das neuerbaute Theater in Meiningen habe er allerdings nur nach Absprache besuchen dürfen, so Goltz, da man die Komödie als ungeeignet für einen jungen Menschen betrachtet habe. Die Theaterleidenschaft sei dennoch früh geweckt gewesen – der elfjährige Georg habe eine eigene Macbeth-Fassung geschrieben und Weihnachten 1836 mit anderen Kindern am Hofe aufgeführt.
Im Mittelpunkt des Vortrags stand die gemeinsame Zeit Georgs II. mit seiner dritten Ehefrau, der erfolgreichen Schauspielerin Ellen Franz (1839 – 1923), die kurz vor der Heirat zu Helene Freifrau von Heldburg wurde. Goltz schilderte sie als moderne, berufstätige und gut vernetzte Frau, die unter anderem mit Cosima Wagner befreundet war.
Georg II. und seine Frau erlebten nach der unstandesgemäßen Eheschließung 1873 einige Jahre der Anfeindungen. Sie verwirklichten aber unbeirrt – zusammen mit dem Intendanten Ludwig Chronegk (1837 – 1891) – innovative Theateraufführungen, in denen erstmals Kostüme und Bühnenbild Teil der Inszenierung waren, gingen mit ihrem Ensemble auf Tournee und ließen mit großem Erfolg in London ein Shakespeare-Stück auf Deutsch spielen. Als „Team“, wie Goltz betonte, machten sie Meiningen zu einem wichtigen kulturellen Ort. Neben der Inszenierung aufsehenerregender Theaterstücke wurde auch durch die Einladung namhafter Dirigenten und Komponisten wie Johannes Brahms die Musik gefördert. Das Meininger Orchester habe einen so guten Ruf erworben, erzählte Goltz, dass einige seiner Mitglieder eingeladen worden seien, bei der ersten Aufführung des Nibelungen-Rings in Bayreuth zu spielen.
Georg II. habe sich nicht nur als innovativer „Theaterherzog“ profiliert, so Goltz, seine Regierungszeit sei außerdem durch liberale Reformen gekennzeichnet gewesen. Neue soziale Institutionen wie ein Krankenhaus seien geschaffen, das Wahlgesetz reformiert und judenfeindliche Gesetzesartikel gestrichen worden. Damit habe sich das kleine, finanziell eher schwache Herzogtum Sachsen-Meiningen einen Ruf als liberales Musterland erworben. Goltz sprach sich abschließend aber dagegen aus, den „Theaterherzog“ und das Leben in Meiningen zu romantisieren, und verwies beispielhaft auf die Heimindustrie, in der trotz aller Reformen unter „katastrophalen Bedingungen“ gearbeitet worden sei.
Die Meininger Museen informieren auf ihrer Website über die Biografie von Herzog Georg II.