Erinnerung – 1870/71. Reichsgründung in Versailles (VI)

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Die sechste Sektion über die „Erinnerung“ an Reichsgründung und Kaiserreich wird im Historischen Bahnhof (1. Stock) präsentiert. (Foto: Otto-von-Bismarck-Stiftung / Jürgen Hollweg).

Die Sonderausstellung „1870/71. Reichsgründung in Versailles“ veranschaulicht in ihrer sechsten und letzten Sektion die Pfade, auf denen sich die Erinnerung an Reichsgründung und Kaiserreich in den verschiedenen Phasen der deutschen Geschichte seit 1870/71 bewegt. Sichtbar werden Kontinuitäten, Wandel und Brüche in den Erzählungen. Zu erkennen ist auch, wie in Wilhelminismus und Weimarer Republik, während des NS-Regimes und nach 1945 in den beiden deutschen Teilstaaten versucht wurde, die Vergangenheit politisch zu vereinnahmen. Die zum Abschluss präsentierten Objekte und Fotografien zeigen, dass die wissenschaftlichen und öffentlichen Debatten auch in der Gegenwart anhalten.

Gespaltene Erinnerung

Die Erinnerung an Reichsgründung und Kaiserreich durchlief verschiedene Phasen. Im Kaiserreich selbst wurden der Deutsch-Französische Krieg sowie die Nationalstaatsgründung überwiegend bejaht, der Ereignisse wurde in vielfältigen Formen gedacht. Die Anhänger der Weimarer Republik nahmen eine kritische Distanz zur Hohenzollern-Monarchie ein, während die politische Rechte zur Verklärung des Bismarckreiches neigte. Völkisch-nationalistische Kreise dagegen wollten nicht zum Kaiserreich zurück, sondern wünschten sich einen autoritären „Führerstaat“.

Die Nationalsozialisten instrumentalisierten die Erinnerung an das Kaiserreich, weil sie sich nicht nur als Erben, sondern mit der Annexion Österreichs als Vollender der Nationalstaatsgründung sahen. Mit dem Rückgriff auf preußisch-deutsche Traditionsstränge vor 1918 sollten bürgerlich-konservative Kreise an ihr Regime gebunden werden. Freilich ging es ihnen nie darum, die Monarchie wiederherzustellen. Nach 1945 änderte sich erneut der Blick auf die Reichsgründung und ihre Folgen. Wurde das Kaiserreich von den Bundesbürgern bis in die 1960er-Jahre eher positiv bewertet, vollzog die DDR einen weltanschaulich begründeten Bruch mit der deutschen Geschichte vor 1945. Seit den späten 1960er-Jahren wurde das Kaiserreich auch in der Bundesrepublik zunehmend kritischer beurteilt.

 

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Die Sonderausstellung „1870/71. Reichsgründung in Versailles“ ist bis zum 20. Februar 2022 im Bismarck-Museum und im Historischen Bahnhof in Friedrichsruh zu sehen (Dienstag bis Sonntag 10 – 16 Uhr, Eintritt vier Euro oder ermäßigt).

Zuvor erschienen: Frankreich nach 1871 – 1870/71. Reichsgründung in Versailles (V)