Ein streitbarer Zeitgenosse. Vor 200 Jahren wurde der Publizist Moritz Busch geboren
Auf Moritz Busch treffen Beschreibungen zu, die ihn als widersprüchlichen Menschen charakterisieren: Er war ein neugieriger Weltenbummler und erfolgreicher Publizist, aber auch ein politischer Sturkopf und zudem glühender Antisemit. In Erinnerung geblieben ist er als „dienstwillige Feder und respektvoller Porträtist Bismarcks“, wie der Titel einer biografischen Studie von Eberhard Kolb es auf den Punkt bringt. Vor 200 Jahren, am 13. Februar 1821, wurde er in Dresden geboren.
Politisch stand Busch der Politik Otto von Bismarcks anfangs sehr fern. Nachdem er 1847 in Leipzig sein Studium beendet und kurz darauf geheiratet hatte, schloss er sich in den Märztagen 1848 dem demokratischen Vaterlandsverein an. Das Scheitern der Revolution enttäuschte ihn und er plante, mit seiner Familie in die USA auszuwandern. Im Juni 1851 brach er dorthin zu einer halbjährigen Reise auf. Aber es schlug nicht nur der Versuch fehl, sich während dieser Zeit beruflich zu etablieren. Busch verlor auch seine republikanischen Ideale.
Eberhard Kolb zeichnet in seinem Beitrag, der 2009 in dem Sammelband Bismarcks Mitarbeiter erschienen ist, den weiteren Werdegang Buschs nach. So entsteht das Bild eines erfolgreichen Publizisten, der nach seiner Rückkehr nach Leipzig in mehreren Büchern über seine Reisen durch die USA und später in den Orient lebendig berichtete. Auch als Redakteur der zunächst lange national-liberal gesinnten Zeitung Die Grenzboten erreichte er ein breites Publikum.
Unter dem Eindruck der politischen Ereignisse wandelte sich allerdings seine politische Haltung weiter. Am Anfang dieser Entwicklung stand das Streben Schleswigs und Holsteins nach Unabhängigkeit von der dänischen Krone. Busch bereiste vor diesem Hintergrund 1855 beide Herzogtümer. Auf der Basis seiner Artikel veröffentlichte er 1856 die Schleswig-Holsteinischen Briefe in zwei Bänden, 1860 gefolgt von dem Buch Der Schmerzensschrei von der Eider. Als nach dem Tod des dänischen Königs Friedrich VII. im Jahr 1863 Prinz Friedrich von Augustenburg Erbansprüche mit der Absicht erhob, Schleswig und Holstein unter seiner Herrschaft als neuen Staat des Deutschen Bundes zu vereinen, ließ sich Busch von ihm als (wie man es heute nennen würde) PR-Agent engagieren. Die politischen Gemeinsamkeiten mit Prinz Friedrich und dessen Unterstützern aus dem Umfeld der Grenzboten-Redaktion fanden allerdings bald nach dem Deutsch-Dänischen Krieg 1864 ein Ende, weil sich Busch immer mehr der Idee eines kleindeutschen Nationalstaats und damit der Politik Otto von Bismarcks annäherte. In diesem Szenario sollten Schleswig und Holstein zunächst im Staat Preußen ihren Platz finden.
Der Deutsche Krieg 1866 führte schließlich zum endgültigen Bruch mit bisherigen politischen und publizistischen Weggefährten wie dem Grenzboten-Herausgeber Gustav Freytag. Mit deren Kritik an Bismarck und an der Idee des kleindeutschen Nationalstaats rechnete Busch in den Preußischen Jahrbüchern öffentlichkeitswirksam ab – in einem polemischen, persönlich verletzenden Stil, den er sich zu eigen gemacht hatte.
Seine publizistische Hinwendung zu Bismarck eröffnete Busch sehr bald ein neues Tätigkeitsfeld. Er wurde vom Literarischen Büro (Presseabteilung) des preußischen Innenministeriums beauftragt, vertraulich auf die Presse im 1866 annektierten Königreich Hannover einzuwirken. Auf seine Artikel folgte 1867 das mit vielen Dokumenten angereicherte Buch Das Übergangsjahr in Hannover. Nach weiteren Aufträgen traf er im Februar 1870 dann zum ersten Mal persönlich mit Bismarck zusammen. Als Pressereferent begleitete er ihn und das „mobile Auswärtige Amt“ auf dem Feldzug in Frankreich. Aus Gesprächsnotizen und genauen Beobachtungen entstand 1878 sein Bestseller Graf Bismarck und seine Leute während des Kriegs mit Frankreich. Der Reichskanzler hatte das Manuskript gegengelesen und äußerte nur wenig inhaltliche Änderungswünsche, übte aber deutliche Stilkritik: „„Warum sind Sie nur in dem, was Sie schreiben, mitunter so massiv? […] Schreiben Sie diplomatisch; selbst bei Kriegserklärungen ist man ja höflich. […] Sie müssen politisch schreiben, und in der Politik ist der Zweck nicht Beleidigung.“
Die jahrelange publizistische Zusammenarbeit mit Bismarck ließ Busch noch Zeit für eigene Projekte. Er veröffentlichte einen Abriss der Urgeschichte des Orients bis zu den medischen Kriegen in drei Bänden (1868) und Bücher über den deutschen Volkshumor und Volksglauben. In seinen Beiträgen zur Beurteilung der Judenfrage, einer Artikelreihe und dem dazugehörigen Buch aus dem Jahr 1880, zeigte sich Busch allerdings als überzeugter Antisemit. In zügellosen Attacken polemisierte er, wie Eberhard Kolb schreibt, gegen die Emanzipation der jüdischen Bürger und ihre durch die Reichsverfassung gedeckten Rechte. Busch ist daher im „Handbuch des Antisemitismus“ (Berlin 2009, Band 2) mit einem biografischen Eintrag vertreten.
An der Biografie Bismarcks Interessierten ist Busch mit Unser Reichskanzler. Studien zu einem Charakterbilde (1884) und den dreibändigen Tagebuchblättern (1899) in Erinnerung geblieben, die eine Erweiterung von Graf Bismarck und seine Leute während des Kriegs mit Frankreich darstellen. Von seinen Zeitgenossen sei Busch Indiskretion vorgeworfen worden, schreibt Eberhard Kolb in seiner ausführlichen Rekapitulation der Publikationshistorie. Tatsächlich aber zeigten die Publikationen den ersten Reichskanzler in „unerhörter Plastizität“. Der Historiker lässt keinen Zweifel daran, dass Busch der Nachwelt damit einzigartige Quellen zur Verfügung gestellt hat.
Dieser Text basiert auf:
Eberhard Kolb: Moritz Busch – dienstwillige Feder und respektvoller Porträtist Bismarcks; erschienen in: Lothar Gall / Ulrich Lappenküper (Hrsg.): Bismarcks Mitarbeiter, Paderborn 2009 (Wissenschaftliche Reihe Band 10)
Eberhard Kolb: Moritz Busch. Dienstwillige Feder und respektvoller Porträtist Bismarcks, Friedrichsruher Beiträge 32
Lesetipp:
„Die Grenzboten. Zeitschrift für Politik, Literatur und Kunst“ ist auf der Website der Staats- und Universitätsbibliothek Bremen hier online einzusehen.