Nordelbische Gemeinsamkeiten

Darstellung der Schlacht bei Bornhöved im Jahr 1227 in der Sächsischen Weltchronik (14. Jahrhundert).

Schleswig-Holstein und das Herzogtum Lauenburg: Zwei Geschichten oder eine? – Eine eindeutige Antwort auf diese Frage ist unmöglich, wie Prof. Dr. Oliver Auge (Universität Kiel) in seinem Abendvortrag aufzeigte. Dieser fand als Kooperationsveranstaltung mit der Stiftung Herzogtum Lauenburg online statt und stieß durch die Unabhängigkeit von Wetter und Pandemie auf eine sehr erfreuliche Resonanz.

Oliver Auge ist Direktor der Abteilung Regionalgeschichte mit Schwerpunkt Schleswig-Holstein am Historischen Seminar der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel sowie Autor und (Mit-)Herausgeber verschiedener regionalgeschichtlicher Publikationen. Für seinen Vortrag schöpfte er aus dem reichen Fundus seiner langjährigen Forschungsergebnisse. Am Beispiel ausgewählter historischer Ereignisse zeigte er auf, dass die Eingliederung des Herzogtums Lauenburg 1876 in die preußische Provinz Schleswig-Holstein keineswegs der zwangsläufige Schlusspunkt einer längeren Entwicklung war. Tatsächlich habe im Landkreis noch Jahrzehnte Unsicherheit darüber geherrscht, wohin man gehöre: 1946 sei in Mölln diskutiert worden, ob man sich statt dem neuen Bundesland Schleswig-Holstein nicht besser Niedersachsen angliedern solle. Es war der ferne Nachhall der eigenen Geschichte, die lange von askanischen und welfischen Herzögen geprägt wurde.

Karte aus dem Grand Atlas D’Allemagne, Frankfurt am Main 1789. Die Grenzen des Herzogtums Lauenburg sind koloriert.

Das Aufgehen aller drei nordelbischen Herzogtümer – Schleswig, Holstein und Lauenburg – zunächst in einer preußischen Provinz und dann in einem gemeinsamen Bundesland war dennoch kein historischer Zufall, sondern wurzelte in vielen Gemeinsamkeiten, die sich seit der Besiedlung von Teilen des heutigen Schleswig-Holsteins durch die Slawen ausprägten. Seit dem 6. Jahrhundert entstand so ein gemeinsamer Kulturraum, wie Oliver Auge erläuterte, in dem zunächst zahlreiche Burgen (meist aus Holz, wenige aus Stein) gebaut und einige Scharmützel ausgetragen wurden. Als frühe historische Zäsuren nannte der Historiker die Eroberung des slawischen Wagriens (die Region rund um das heutige Oldenburg in Holstein) 1139 durch den Grafen von Holstein und Stormarn sowie die Schlacht bei Bornhöved 1227. Eine Koalition norddeutscher Landesherren und Städte besiegte damals den dänischen König, der dennoch seinen Herrschaftsanspruch auf die Gebiete nördlich der Elbe nicht aufgab. Die heute gültige Grenze zwischen Deutschland und Dänemark wurde erst 1920 gezogen.

Diese Karte aus dem Jahr 1650 zeigt das Schloss in Trittau (heute Kreis Stormarn) und Umgebung. Die Ansicht ist nicht genordet, rechts ist der nördlich gelegene Mühlenteich zu sehen, in der linken Bildhälfte die südlich fließende Bille. Entnommen aus: Johann Philipp Abelinus (Hrsg.): Theatrum Europaeum, Frankfurt am Main 1692

Gemeinsamkeiten entstanden aber nicht nur durch Bündnisse in Kriegszeiten, sondern auch durch persönliche Verbindungen – vor allem durch die Hochzeiten von Angehörigen einflussreicher adliger Familien. Auf diese Weise wurden Dynastien und Friedensschlüsse gefestigt, wie Oliver Auge erklärte, und nebenbei möglichst auch der jeweils eigene Stand erhöht und das Vermögen vergrößert.

Das Amt Tremsbüttel, die Burg Linau (in der Nähe von Trittau), das Schloss in Trittau und das Zisterzienserinnen-Kloster in Reinbek dienten Oliver Auge als Beispiele, um das Ringen um politische Herrschaft und wirtschaftlichen Nutzen im gemeinsamen Grenzgebiet zu veranschaulichen. Es bildeten sich dabei Kooperationen und Herrschaftssysteme heraus, die in den drei Herzogtümern nicht nur die Entstehung eines formvollendeten Absolutismus wie im Königreich Dänemark verhinderten. Zugleich wurde damit ein historischer Pfad angelegt, an dem entlang sich die Geschichten Schleswig-Holsteins und Lauenburgs auch als eine gemeinsame Historie erzählen lassen.


Literatur:

Oliver Auge: Burgen in Schleswig-Holstein. Zeugen des Mittelalters einst und jetzt, Kiel 2019

Ulrich Lappenküper / Oliver Auge / Ulf Morgenstern (Hrsg.): Der Wiener Frieden 1864. Ein deutsches, europäisches und globales Ereignis, Paderborn 2016 (Otto-von-Bismarck-Stiftung, Wissenschaftliche Reihe 22), Paderborn 2016.

Eckard Opitz: Otto von Bismarck und die Integration des Herzogtums Lauenburg in den preußischen Staat, Friedrichsruh 2001 (Friedrichsruher Beiträge 15)

Frederic Zangel: „unse slot Trittow“ – Das Schloss auf der Trittauer Krim im Wandel der Zeit (1326-1775), Kiel 2021 (Herausgegeben von Trittauer Stiftung zur Förderung der Geschichtskultur)

Museum:

Über das Leben der Slawen in Wagrien, dem heutigen Ostholstein, informiert das Wallmuseum Oldenburg.