Der Deutsch-Französische Krieg 1870/71 (VI): Medaille auf den Beitritt der süddeutschen Staaten zum Norddeutschen Bund und den Sieg über Frankreich

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Deschler (Medailleur), Deutschland, um 1870, Weißmetall (Zinn), Höhe: 4 mm, Durchmesser: 46 mm, Gewicht: 31g, Otto-von-Bismarck-Stiftung Friedrichsruh, Inventar-Nr.: M 2017/002

Nach dem Sieg der deutschen Truppen und der Gefangennahme Kaiser Napoleons III. bei Sedan sowie der folgenden Errichtung der Republik in Frankreich zogen sich die Kämpfe weiter hin, denn auch die provisorische Regierung der Republik setzte den Waffengang weiter fort. Doch ihr gelang es trotz aller militärischen und diplomatischen Anstrengungen nicht, das Kriegsglück zu wenden. Mitte September 1870 wurde die französische Hauptstadt sogar von den deutschen Streitkräften eingeschlossen. Erste Unterhandlungen zwischen dem neuen französischen Außenminister Jules Favre mit Otto von Bismarck über einen Waffenstillstand scheiterten. Während die Deutschen Paris belagerten, eröffnete der Bundeskanzler Verhandlungen mit Vertretern Badens, Württembergs, Hessen-Darmstadts sowie Bayerns über einen Beitritt dieser Staaten zum Norddeutschen Bund. Mit den sogenannten Novemberverträgen vom 15. (Baden und Hessen), 23. (Bayern) und 25. November (Württemberg) wurde dieser vollzogen – der entscheidende Schritt hin zum gesamtdeutschen Nationalstaat war getan.
Bereits kurz nach Beginn des Deutsch-Französischen Kriegs hatten zahlreiche Medailleure in Deutschland mit der Herstellung von Medaillen und Schaumünzen begonnen, die an siegreiche Schlachten während des Frankreichfeldzugs erinnern sollten. Doch nicht nur militärische, sondern auch politische Ereignisse von großer Tragweite wurden von ihnen auf Medaillen geprägt. So erinnert die hier vorgestellte, in München gefertigte Zinnmedaille neben den militärischen Siegen des Jahres 1870 auch an den Beitritt der süddeutschen Staaten zum Norddeutschen Bund.

Auf der Vorderseite zeigt sie eine Germania als Personifikation der deutschen Nation, versehen mit Kettenhemd, Umhang und geflügeltem Helm, das Schwert in der Rechten und den Schild mit der Linken haltend. Mit dem rechten Fuß steht sie auf am Boden liegenden Waffen und einem Schild, das den Napoleonischen Adler trägt. Darunter findet sich die Signatur des Medailleurs („DESCHLER“). Im Hintergrund ist eine Stadtansicht von Paris zu erkennen. Die Umschrift lautet: * RUHM UND EHRE GERMANIENS SÖHNEN * SIEG ÜBER D. FRANZOSEN 1870.

Die Rückseite zeigt im Feld einen Doppeladler, umgeben von fünf aus Lorbeerzweigen gebildeten Rahmen, in denen sich die Porträts von König Wilhelm I. von Preußen, König Ludwig II. von Bayern, König Karl von Württemberg, Großherzog Friedrich von Baden und Großherzog Ludwig III. von Hessen befinden. In den Winkeln zwischen den Portraits sind fünf Wappenschilde in den jeweiligen Landesfarben angebracht. Die Umschrift lautet: EINIG MACHT STARK ***.

Die Medaille mahnt mit dieser Umschrift, sich auf die bereits im Krieg bewiesene Stärke des geeinten Deutschlands zu besinnen und den früheren inneren Zwist der Deutschen in Zukunft zu überwinden. Die bewaffnete Germania verweist auf die militärischen Siege über die Franzosen als einer gesamtdeutschen Leistung. So waren die vier süddeutschen Staaten, die seit 1867 durch Schutz- und Trutzbündnisse mit Preußen verbunden waren, im Sommer 1870 auf Seiten des Norddeutschen Bundes in den Krieg gegen Frankreich eingetreten. Anders als manche in Preußen geprägten Erinnerungsmedaillen, die durch ihre Symbolik die Siege über Frankreich als eine vorrangig preußische Leistung darstellen, weist das vorliegende Stück keine preußischen Staatssymbole auf. Statt des preußischen Adlers und der schwarz-weißen Flagge prangen auf ihr der doppelköpfige Reichsadler und die schwarz-weiß-roten Farben des Norddeutschen Bundes. Im Hinblick auf diese Tatsache und die Gestaltung der anderen Wappenschilde, deren unterschiedliche Schraffuren Auskunft über ihre eigentliche farbliche Gestaltung geben, muss jedoch angemerkt werden, dass sie nur bedingt ihren tatsächlichen Vorlagen entsprechen. So rätselten schon Zeitgenossen, warum der Medailleur keinen Heraldiker zu Rate gezogen habe.