Ein Briefbeschwerer als Erinnerungsstück an den Deutsch-Dänischen Krieg 1864
Der Schreibtisch Otto von Bismarcks in dessen nachgestelltem Arbeitszimmer im Bismarck-Museum von Friedrichsruh wird von einem mächtigen Bilderrahmen, einer Standuhr, zwei Lampen und einer großen Ledermappe, welche den Eindruck erweckt, als würde der Reichskanzler gleich wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkehren, dominiert.
Während der flüchtige Blick nur diese Objekte wahrnimmt, offenbaren sich dem aufmerksamen Besucher eine Vielzahl weiterer interessanter Gegenstände, die jedoch aufgrund ihrer Größe unscheinbarer wirken. Eines dieser Objekte ist eine kleine schlichte Metallkugel, die auf eine steinerne Platte montiert wurde, welche die Gravur „Rolf Krake 28.3.1864“ trägt.
Das Objekt gehört zu den wenigen Exponaten des Museums, die einen unmittelbaren Bezug zum Deutsch-Dänischen Krieg von 1864 haben. Auffällig an der Kugel ist der Umstand, dass der obere Teil abgeschliffen wurde. Trotz ihrer Schlichtheit und Unauffälligkeit zeugt dieses Objekt von einer der blutigsten Episoden des Deutsch-Dänischen Krieges, dem Ringen um die Düppeler Schanzen.
Der Name „Rolf Krake“ war vor 152 Jahren weit über die Grenzen Dänemarks hinaus bekannt. Schließlich trug nicht nur ein legendärer nordischer Sagenkönig diesen Namen, sondern auch das erste moderne Panzerschiff Europas. In dänischem Auftrag in Glasgow gebaut und im Sommer 1863 vom Stapel gelaufen, stellte die „Rolf Krake“ ein Novum in der europäischen Seekriegsführung dar. Denn obgleich schon eiserne Panzerschiffe im amerikanischen Sezessionskrieg (1861 – 1865) zum Einsatz gekommen waren, hatte diese Technik bis dahin noch keinen Einzug in Europa gehalten.[1]
Dementsprechend stolz war das dänische Militär auf seine neueste Erwerbung; und dies zu recht. Schließlich stellte das Turmschiff mit einer Maschinenleistung von 750 PS, einer Rumpfpanzerung von zwölf Zentimeter Stärke und zwei drehbaren Geschützen mit vier schweren 60-Pfünder-Kanonen einen mehr als bedrohlichen Gegner dar.[2] Allein aufgrund ihrer Erscheinung konnte die „Rolf Krake“ Angst und Schrecken verbreiten. Als schwarzes, todbringendes Ungetüm, das in eine dunkle Rauchwolke gehüllt war, glich sie so gar nicht den bisher vertrauen Kriegsfahrzeugen der Seefahrt. Nicht umsonst hat Theodor Fontane diesem Schiff in seinem Roman „Der Stechlin“ ein literarisches Denkmal gesetzt.[3] Obwohl das eiserne Panzerschiff als militärische Neuheit eine Aura der Unbesiegbarkeit besaß, hatte die „Rolf Krake“ während der gesamten Dauer des Deutsch-Dänischen Krieges nur einen einzigen erfolgreichen Einsatz zu verzeichnen. [4] Dieser fand am Morgen des 28. März 1864 während der Belagerung der Düppeler Schanzen durch preußische Truppen statt.
Wenige Tage zuvor war auf preußischer Seite der Entschluss gefasst worden, im Vorfeld der Schanzen Parallelgräben auszuheben und sich immer weiter an den Feind heranzuarbeiten. Auf diese Weise würde man beim bevorstehenden Sturmangriff auf die Schanzen die Distanz zwischen Dänen und den eigenen Stellungen auf ein Minimum beschränken können. Die preußischen Soldaten wären hierdurch nur kurze Zeit den feindlichen Kugeln im deckungslosen Niemandsland zwischen den Stellungen ausgeliefert. Zur Vorbereitung für dieses Unterfangen wurden die beiden Regimenter Nr. 8 und 18, die unter dem Befehl des Generalmajors Eduard von Raven („Brigade Raven“) standen, in der Nacht vom 27. auf den 28. März damit beauftragt, das Gelände für die erste Parallele zu erobern. Ihr Auftrag war es, den Feind zu überraschen und auf ganzer Linie zwischen den Schanzen 1 bis 8 zurückzudrängen.
Obwohl es den Preußen im Schutz der Dunkelheit gelang, die feindlichen Feldwachen zu überfallen und das vorgesehene Terrain zu sichern, gerieten Teile der Brigade bei Tagesanbruch in das Feuer der Schanzenbesatzungen. Hierdurch sahen sich die Angreifer gezwungen, an der südöstlichen, dem Wasser zugeneigten Flanke in Deckung zu gehen. Groß waren der Schreck und die Überraschung bei den Soldaten, als sie auch hier, diesmal jedoch von See aus, unter Feuer genommen wurden. Unbemerkt von den Preußen war die „Rolf Krake“ im Schutz der Dunkelheit in den Wenningbund eingefahren und hatte sich hier auf die Lauer gelegt. Gnadenlos nahm das Schiff die feindlichen Truppen nun aus nächster Nähe mit großen Kartätschen und Schrappnellgeschossen unter Beschuss. Da die preußische Artillerie, die nun ihrerseits das Panzerschiff mit Granaten beschoss, sich rasch als machtlos gegen deren Panzerung erwies, blieb den Angreifern nur der Rückzug in die Ausgangsstellungen übrig. Nach dem der preußische Angriff durch sein Eingreifen zurückgeschlagen worden war, zog sich das Panzerschiff rasch wieder zurück, sodass das Gefecht gegen 9.30 Uhr sein Ende fand.[5] Die dänische Seite zählte 138 Tote und Verwundete sowie 63 eigene Gefangene, die Preußen verloren 147 Tote und Verwundete nebst dem Verlust von 31 Gefangenen. Trotz des Zurückschlagens des preußischen Angriffs, dessen Verdienst vor allem beim Panzerschiff „Rolf Krake“ lag, konnten sich auch die Belagerer über einen, wenn auch teuer erkauften Erfolg freuen. So konnte durch das Zurückdrängen der dänischen Vorposten schon in der folgenden Nacht mit dem Bau der ersten Parallelstellungen begonnen werden.[6] Der letzte Akt im Ringen um die Düppeler Schanzen hatte damit begonnen.
Doch wie gelange ein eisernes Geschoss der „Rolf Krake“ vom Ufer des Wenningbund auf den Schreibtisch des Reichskanzlers Otto von Bismarck? Einen Hinweis auf dies Frage liefert uns eine Papiernotiz, die auf die Unterseite der steinernen Platte geklebt wurde: „Das unterzeichnete Comité hat durch zwei seiner Mitglieder die dänischen Kugeln und Granatsplitter auf den verschiedenen Kampfstätten sammeln lassen, und kann daher mit bestem Recht die Echtheit der aufgeklaubten Stücke als von den bezeichneten Kämpfen herrührend bescheinigen. Berlin, den 18. April 1864. Das Comité zur Verpflegung der durchpassirenden Verwundeten etc.“ Dieser Text deutet darauf hin, dass es sich bei dem Objekt wohl um keine Einzelanfertigung für Otto von Bismarck handelte, sondern um eine ganze Reihe ähnlicher Erinnerungsstücke, die im Auftrag des genannten Komitees hergestellt wurden. Diese Annahme wird auch durch einen Artikel im „Regensburger Morgenblatt“ aus dem April 1864 gestützt. In diesem heißt es unter der Überschrift „Briefbeschwerer aus dänischen Kugeln“: „Die Idee des Berliner Comités zur Verpflegung der durchpassirenden Verwundeten, Briefbeschwerer mit dänischen Kugeln und Granatstücken aus den Kämpfen von Missunde, dem Dannewerken und den Düppeler Forts anfertigen zu lassen und sie zum Besten der Verwundeten und zur Unterstützung der in Gefangenschaft gerathenen Soldaten, sowie der Hinterbliebenen der Gefallenen zu verkaufen, hat den größten Anklang gefunden. Aus allen Theilen Deutschlands gehen dem Comité Bestellungen darauf zu. Die Anfertigung wir möglichst beeilt und Ende April die Versendung beginnen.“[7] Die Frage, ob Otto von Bismarck seinen Briefbeschwerer bereits 1864 aus den Händen der Komiteemitglieder erhielt oder ob ein Verehrer ihm das Objekt in späteren Jahren als Geschenk zukommen ließ, wird sich wohl nicht mehr eindeutig beantworten lassen.
[1] Buk-Swienty, Tom: Schlachtbank Düppel: 18. April 1864. Geschichte einer Schlacht, Berlin 2011, S. 53.
[2] Vgl. S. v. Chr: Rolf Krake, in: Poten, Berhhard von (Hrsg.): Handwörterbuch der gesamten Militärwissenschaften, 8. Bd. Polnischer Thronfolgekrieg bis Siena (Nachdruck des Originals von 1880), Paderborn 2015, S. 157f.
[3] Vgl. Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin 1899.
[4] Ganschow, Jan/Haselhorst, Olaf/Ohnezeit, Maik: Der Deutsch-Dänische Krieg 1864. Vorgeschichte – Verlauf- Folgen, Graz 2013, S. 113.
[5] Zum Ablauf des Gefechts siehe Pflug, Ferdinand: Der Deutsch-Dänische Krieg. Geschichte des Feldzugs in Schleswig-Holstein im Jahre 1864, Leipzig 1865, S. 100f; Fontane, Theodor: Der Schleswig-Holsteinische Krieg im Jahre 1864, Berlin 1866, S. 59f.
[6] Westphal, Walter: Von Bornhöved bis zur Erstürmung der Düppeler Schanzen. Vergessene Schlachten und Kriege in Schleswig-Holstein, Norderstedt 2001, S. 143.
[7] Regensburger Morgenblatt Nr. 97 vom 30.4.1864